2015, Freital
„Der Satz von Freunden „Komm gut heim! Pass auf dich auf!“ wurde nun zu mehr als nur einer hohlen Worthülse.
„Ich war in einer permanenten Anspannung, immer darauf gefasst, dass wieder etwas passiert. Meine komplette Anschrift inklusive Geburtsdatum und Geburtsort wurde in den sozialen Medien veröffentlicht. Das trug nicht gerade dazu bei ruhiger zu werden.“
Redebeitrag
07.03.2018 - Das Urteil zur „Gruppe Freital" wird gesprochen. Die Angeklagten werden unter anderem wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung verurteilt.
Rechtsterrorismus - Bis zum Frühjahr 2015 war das für mich ganz weit weg. Es war etwas wovon ich in der Zeitung las oder in den Nachrichten hörte. Nie hätte ich geglaubt einmal Betroffene von Rechtsterrorismus zu sein. Und doch ging es sehr schnell.
Angefangen hat es mit Gegenreden im Internet. Wo immer ich einen rassistischen und menschenverachtenden Kommentar sah leistete ich Widerspruch. Da ließen Beleidigungen gegen mich nicht lange auf sich warten. Die ersten Drohungen kamen als ich anfing in Freital aktiv zu werden. Auf einmal war ich eine „Politische" und eine „ Linke Zecke mit Sch… im Hirn". Es verging kaum ein Tag an dem nicht auf den einschlägigen Seiten zu lesen war, dass ich, zusammen mit anderen Aktiven, aus der Stadt gejagt werden soll und die Baseballschläger für uns schon bereit liegen.
Der Satz von Freunden „Komm gut heim! Pass auf dich auf!" wurde nun zu mehr als nur einer hohlen Worthülse. Sie machten sich wirklich Sorgen, wahrscheinlich mehr, als ich zu dem damaligen Zeitpunkt. Spätestens als mir bei einer Bürgerversammlung auch körperliche Gewalt angedroht wurde, fing ich an Menschen auf der Straße in Schubladen zu stecken. Ich tat das, was mir eigentlich immer gegen den Strich ging. Ich unterteilte die Menschen, nach einem kurzen Check, in „ gefährlich" und „ ungefährlich". Dazu kam ein Hauch von Paranoia. Ich checkte die Straße auf dem Heimweg von unbekannten Autos merkte ich mir das Kennzeichen. Und da war ich wirklich gut drin. Das half mir dann aber auch, als es wirklich kritisch wurde. Nachts auf dem Heimweg kam mir wirklich ein Auto entgegen, was mir 2 Wochen vorher aufgefallen war. Instinktiv wechselte ich die Straßenseite und ging andere Wege als normal. Das Auto folgte mir, einem glücklichen Zufall ist es zu verdanken, dass ich mich aus dieser Situation befreien konnte.
Was sollte ich jetzt tun? Aufhören? Den Mund halten und weiter in meiner Wohlfühlzone auf dem Sofa sitzen bleiben? Genau das kam mir, seltsamerweise, nie in den Sinn. Das käme einer Kapitulation gleich. Das entspricht nun ganz und gar nicht meinem Wesen, auch nicht, als zwei Wochen später mein Briefkasten gesprengt wurde.
Ja, ich hatte Angst. Natürlich, ich bin ein Mensch und dazu auch noch Mutter eines damals 16jährigen Sohnes. Natürlich sorgte ich mich auch um ihn.
Ich gewöhnte mir an nicht mehr im Dunkeln alleine unterwegs zu sein. Wenn ich nach Hause kam schaute ich zuerst in jedes Zimmer, mit Pfefferspray in der Hand. Ich war in einer permanenten Anspannung, immer darauf gefasst, dass wieder etwas passiert. Meine komplette Anschrift inklusive Geburtsdatum und Geburtsort wurde in den sozialen Medien veröffentlicht. Das trug nicht gerade dazu bei ruhiger zu werden. In Dresden fühlte ich mich sicher, konnte das Leben genießen. Fuhr ich jedoch zurück nach Freital wurde ich mit jedem Meter stiller und bedrückter. Es war als legte sich ein großer schwerer Stein auf meine Brust.
Erst die Verhaftungen der Rädelsführer sorgten für ein Aufatmen. Ich konnte endlich wieder einmal befreit lachen. Ich tanzte durch die Wohnung, worauf mein Sohn, der gerade nach Hause kam, mich unverständlich ansah und wahrscheinlich an meinem Geisteszustand endgültig zweifelte.
Das wir, mein Sohn und ich, diese Zeit gut überstanden haben, verdanken wir guten Freunden die immer für uns da waren und mich auch darin bestärkten, mich an die Opferberatung der RAA zu wenden. Ich wollte und will mir mein Leben nicht von Angst bestimmen lassen. An dieser Stelle noch mal ein Riesendank an diese Menschen. Und nicht zuletzt sorgten meine Eltern dafür, dass ich Schritt für Schritt zu meiner alten Selbstsicherheit zurück gefunden habe. Sie holten mich von Arbeit ab, wenn ich Spät Dienst hatte und hielten all meine Unsicherheiten und Weinanfälle aus.
Ich weiß ich bin nicht allein mit diesen Erfahrungen. Umso mehr macht es mich wütend, wenn immer und immer wieder von „Alarmzeichen" gesprochen wird. Wenn immer nach einem Anschlag die Betroffenheit für 2 oder 3 Tage groß ist. Wenn immer wieder davon gesprochen wird, dass man jetzt anfangen müsste etwas zu tun.
Mein Fazit nach den Jahren ist ganz klar: Steht auf und zeigt Haltung! Nur eine starke Zivilgesellschaft verhindert weitere rechtsterroristische Gruppierungen und Anschläge! Zeigt Solidarität mit den Opfern von rechter Gewalt!
Vielen Dank
Steffi B.