Hate Speech // Informationen und Handlungsmöglichkeiten
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"Angegriffen und Alleingelassen" - Studie zu digitaler Gewalt und politischem Engagement erschienen

Kurz vor der Bundestagswahl und der damit verbundenen polarisierten Debatten gibt eine neue Studie von HateAid und der Technischen Universität München erstmals detailierte Auskunft darüber, wie sich digitale Gewalt auf das weitere politische Engagement von Betroffenen auswirkt.

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Befragt wurden in der Studie insgesamt 1.114 politisch engagierte Personen, die auf kommunaler, Landes- Bundes- und EU-Ebene tätig sind. Der Großteil von ihnen waren Politiker*innen aller im Bundestag vertretenen Parteien sowie politisch engagierte Aktivist*innen, Wissenschaftler*innen, Journalist*innen, Publizist*innen und Parteimitglieder ohne politisches Mandat.

Dabei berichteten 58 % aller Befragten von Anfeindungen im Internet, wobei sich die meisten Angriffe gegen die politische Positionierung der Betroffenen richteten.

Während Frauen insgesamt stärker von Anfeindungen betroffen sind (63%), die sich häufig auf geschlechtsspezifische Gewalt wie Sexismus und Frauenhass beziehen, erleben Männer im digitalen Raum öfter Androhungen anderer Formen körperlicher Gewalt bis hin zu Morddrohungen (51%).

32% aller Befragten gaben darüberhinaus an, in der Vergangenheit sowohl von digitaler als auch analoger Gewalt betroffen gewesen zu sein. Im Gegensatz dazu waren lediglich 10% der männlichen und 14% der weiblichen Befragten, die noch keine digitalen Anfeindungen erlebt haben, schon einmal physischen Angriffen ausgesetzt.

Zudem zeigt die Studie, dass mehr als jede zweite betroffene politisch engagierte Person ihre Kommunikation infolge von Anfeindnungen verändert hat. Von digitaler Gewalt betroffene Frauen (66 %) wie Männer (53 %) schränkten die Nutzung sozialer Medien ein, indem sie etwa ihren Ton und ihre Inhalte veränderten. 49 % der betroffenen Frauen und 30 % der betroffenen Männer zogen außerdem zumindest manchmal in Erwägung, eine bestimmte Position nicht anzunehmen, da sie fürchteten, in der Folge besonders häufig digitalen Anfeindungen ausgesetzt zu sein. Auch ein kompletter Rückzug aus der politischen Arbeit kam für betroffene Frauen deutlich häufiger infrage (22 %; Männer: 10 %).

Demnach verwundert es nicht, dass 49 % der Männer und 66 % der Frauen aller befragten Berufsgruppen in der Studie angaben, sich hinsichtlich ihres politischen Engagements nicht ausreichend auf digitale Gewalt und ihre Folgen vorbereitet zu fühlen. Mehr als die Hälfte der von digitaler Gewalt Betroffenen äußerte in diesem Zusammenhang den Wunsch nach mehr Solidarität innerhalb ihrer Gemeinschaften und an ihren Arbeitsplätzen.

Aufgrund der Ergebnisse der Studie hat HateAid drei konkrete Forderungen formuliert:

  • Spezialisierte Anlaufstellen für Betroffene digitaler Gewalt innerhalb der Parteien sind dringend einzurichten und mit ausreichenden Ressourcen auszustatten. Diese Stellen sollen dann Mitglieder und Kandidierende z. B. dabei unterstützen, Inhalte auf den Plattformen zu melden, Beweise zu sichern und bei Strafanzeigen zu unterstützen.

  • Anzeigen müssen konsequent und zeitnah von Justiz und Strafverfolgungsbehörden verfolgt werden. Dafür müssen diese mit den notwendigen Ressourcen ausgestattet werden. Betroffene sollten über den Ausgang von Verfahren informiert werden, auch ohne, wie aktuell der Fall, einen Antrag stellen zu müssen.

  • Betreiber von Social-Media-Plattformen sind nach dem Digital Services Act (DSA) dazu verpflichtet, alle tatsächlichen oder absehbaren nachteiligen Auswirkungen auf die gesellschaftliche Debatte und auf Wahlprozesse einzuschätzen und zu minimieren. Digitale Gewalt gegen Politiker*innen darf nicht durch Algorithmen verstärkt werden. Gemeldete Inhalte müssen zügig geprüft und gegebenenfalls entfernt werden. HateAid fordert, den DSA diesbezüglich konsequent durchzusetzen. Gerade nach den Ankündigungen von Meta, Faktenchecks und Moderation einzuschränken, ist dies umso wichtiger.

Alle Infos zur Studie finden sich auf der Webseite von HateAid unter: https://hateaid.org/hass-hetze-politisch-engagierte-safe-to-engage/#statistiken

Die komplette Studie sowie eine Kurzzusammenfassung mit den wichtigstens Infos sind ebenfalls als PDF-Dokument abrufbar.

Die gemeinnützige Organisation HateAid wurde 2018 gegründet und hat ihren Hauptsitz in Berlin. Sie setzt sich für Menschenrechte im digitalen Raum ein und engagiert sich auf gesellschaftlicher wie politischer Ebene gegen digitale Gewalt und ihre Folgen. HateAid unterstützt Betroffene von digitaler Gewalt u.a. durch Beratung und Prozesskostenfinanzierung.