Hate Speech // Informationen und Handlungsmöglichkeiten
Inhaltsübersicht

Juristisches Vorgehen gegen Hate Speech

Betroffene von Hate Speech können sowohl straf- als auch zivilrechtlich gegen Angriffe im Netz vorgehen.

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  • Durch das Stellen einer Strafanzeige werden Ermittlungen durch die Polizei und Staatsanwaltschaft gegen Personen eingeleitet, die Hate Speech äußern. Falls es sich um strafbare Inhalte handeln sollte und die Urheber*innen identifiziert werden, müssen jene mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe rechnen. Die Behörden sind verpflichtet, Anzeigen nachzugehen.

  • Durch das Einleiten zivilrechtlicher Schritte haben Betroffene die Möglichkeit, bestimmte Ansprüche, wie etwa die Unterlassung oder Richtigstellung gegen sie gerichteter Äußerungen und Inhalte, geltend zu machen. Solche Maßnahmen müssen sie jedoch selbst aktiv vorantreiben.

Strafrechtliches Vorgehen

Strafanzeige

  • eine Strafanzeige kann mündlich, schriftlich oder per Mail bei den jeweiligen Polizeidienststellen gestellt werden.

  • Sie kann darüber hinaus auch direkt über die Onlinewache der Polizei Sachsen unter dem Menüpunkt "Ich möchte einen Hasskommentar im Internet anzeigen" erfolgen.

  • Außerdem besteht die Möglichkeit Anzeigen direkt an die Staatsanwaltschaft zu richten.

Strafantrag

  • Wenn mögliche Straftaten, die sich gegen Einzelpersonen richten (wie etwa Beleidigung, üble Nachrede/Verleumdung) angezeigt werden, ist zusätzlich ein Strafantrag nötig, in dem die betroffene Person ihren Wunsch nach Strafverfolgung äußert.

  • Betroffene können einen Strafantrag ebenfalls schriftlich und formlos bei der jeweiligen Ermittlungsbehörde stellen. Die Antragsstellung muss innerhalb einer Frist von 3 Monaten nach Bekanntwerden der Straftat bzw. der Indentität der Täter*in erfolgen.

  • Delikte, bei denen kein Strafantrag notwendig ist (wie etwa Volksverhetzung), können auch anonym über Online-Meldeportale angezeigt werden.

Betroffene, die Unterstützung beim Stellen einer Strafanzeige oder eines Strafantrags benötigen, können sich jederzeit an entsprechende Beratungsstellen wenden.

Ablauf von Strafverfahren

  • Wird eine Strafanzeige gestellt, leitet die Polizei Ermittlungen ein und kann Betroffene zu einer Zeug*innenvernehmung laden. Diese kann auch schriftlich oder in Begleitung einer Vertrauensperson (bspw. Berater*in, Anwält*in) erfolgen.

  • Die Polizei leitet das Verfahren nach Abschluss der Ermittlungen an die Staatsanwaltschaft weiter, die über das weitere Vorgehen entscheidet.

  • Falls die Täter*in nicht ermittelt werden kann oder kein strafbares Verhalten vorliegt, wird das Verfahren eingestellt.

  • Wenn die Täter*in ermittelt wird und ein strafbares Verhalten vorliegt, kann Anklage erhoben werden und es kommt zu einem Prozess, in dem ein Urteil gesprochen wird.

  • Auch wenn eine strafbare Handlung vorliegt, besteht die Möglichkeit, dass Verfahren bspw. auf Grund der Feststellung einer "geringen Schuld" o.ä. eingestellt werden.

Vor- und Nachteile

  • Betroffene haben einen relativ geringen Aufwand strafrechtliche Schritte einzuleiten und ihnen entstehen dabei keine Kosten.

  • Oft ist das Verfolgungsinteresse der Behörden jedoch nicht sehr hoch und Verfahren werden eingestellt.

  • Durch eine persönliche Anzeigenstellung gelangen private Daten von Betroffenen in eine Ermittlungsakte, zu der auch die Täter*in Zugang erhalten kann. Auskünfte zu Gegenmaßnahmen erhalten Betroffene bei Beratungsstellen und Anwält*innen.

Was kann angezeigt werden?

Verbale Angriffe gegenüber Personen

  • Beleidigung: Darunter zählen sowohl "klassische" Beschimpfungen, wie etwa "Arschloch", als auch bspw. rassistische oder homo- und transfeindliche Beleidigungen.

  • Üble Nachrede/Verleumdung: Hierbei handelt es sich um falsche Tatsachenbehauptungen gegenüber anderen Personen.

  • Bedrohung: Eine Androhung konkreter Straftaten, wie etwa einer Körperverletzung (bspw. "Ich schlag dich zusammen").

  • Nötigung: Eine Drohung mit empfindlichen Konsequenzen, wenn eine Person nicht in einer bestimmten Weise handelt.

Bestimmte öffentliche Äußerungen

  • Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen: Etwa die Verbreitung nationalsozialistischer Symbole, wie dem Hakenkreuz oder der Erkennungszeichen terroristischer Organisationen.

  • Volksverhetzung: Hierzu zählt bspw. die Verherrlichung des Nationalsozialismus sowie die Leugnung oder Relativierung des Holocaust.

  • Angriffe aufgrund einer Gruppenzugehörigkeit: Das Aufstacheln zum Hass oder zur Gewalt gegen Angehörige einer bestimmten Personengruppe (wie etwa BIPoC, Trans-Personen oder Geflüchtete)sowie damit zusammenhängende Beleidigungen, die die Menschenwürde verletzen.

  • Öffentliche Aufforderung zu Straftaten: Bspw. Mordaufrufe gegen politische Gegner*innen.

Veröffentlichung von privaten Inhalten

  • Die Veröffentlichung von Fotos und Videos aus dem privaten Bereich ist strafbar, wenn die abgebildete Person nicht zugestimmt hat und kein besonderes öffentliches Interesse an den Aufnahmen besteht. Eine ungewollte Veröffentlichung intimer Aufnahmen ist praktisch immer illegal.

  • Heimliche Tonaufnahmen: Neben der Veröffentlichung ist bereits die Aufnahme privater Gespräche ohne Zustimmung rechtswidrig.

  • Doxxing: Eine Veröffentlichung privater Daten, wie etwa der Anschrift oder Telefonnummer, ist dann strafbar, wenn diese rechtswidrig erlangt wurden oder die Betroffenen dadurch bewusst der Gefahr erheblicher Straftaten ausgesetzt werden.

Unverlangtes Zusenden von bestimmten Inhalten

  • Etwa pornografische Bilder und Videos (wie bspw. "Dickpics") oder Hetzschriften, die die Menschenwürde anderer angreifen.

Zivilrechtliches Vorgehen

Abmahnung

  • Betroffene können identifizierbare Personen, die gegen sie gerichtete Äußerungen o.ä. verbreiten, abmahnen. Hierbei handelt es sich um eine formale Aufforderung an die Urheber*in, die betreffende Äußerung zu löschen und zu erklären, dass sie diese nicht wiederholen wird. Wird der Aufforderung nachgekommen, droht im Wiederholungsfall eine Vertragsstrafe.

  • Falls der Aufforderung nicht nachgekommen wird, besteht die Möglichkeit, die Äußerung per Eilantrag gerichtlich untersagen zu lassen. Solche Verfahren dauern meist einige Wochen bis Monate. Untersagt das Gericht die Äußerung, droht im Wiederholungsfall ein Ordnungsgeld oder Ordnungshaft.

Gegen was kann vorgegangen werden?

  • Alle Äußerungen, die das Persönlichkeitsrecht verletzen: Etwa Beleidigungen und andere schwerwiegende Schmähungen sowie falsche Tatsachenbehauptungen über die Person (siehe Punkt: "Verbale Angriffe").

  • Die Veröffentlichung privater Daten: Etwa Informationen aus der Intim- (z.B Sexualität, Krankheiten) oder Privatspähre (Freundschaften, Familie) sowie Doxxing (siehe Punkt "Veröffentlichung von privaten Inhalten").

Was kann verlangt werden?

  • Unterlassung: Die betreffende Äußerung soll gelöscht und in Zukunft nicht wiederholt werden.

  • Widerruf: Eine falsche Tatsachenbehauptung soll öffentlich richtiggestellt werden.

  • Schmerzensgeld: Kann bei sehr schweren Persönlichkeitsrechtsverletzungen gefordert werden.

Vor- und Nachteile

  • Durch ein zivilrechtliches Vorgehen können sich Betroffene eigenständig gegen digitale Angriffe wehren und sind dabei nicht auf Ermittlungsbehörden angewiesen.

  • In der Praxis wirken zivilrechtliche Sanktionen oft abschreckender als strafrechtliche.

  • Um aktiv zu werden, müssen Name und Adresse der Täter*in bekannt sein.

  • Zudem muss die Bereitschaft bestehen, persönliche Daten weiterzugeben.

  • Ein Zivilverfahren birgt ein erhebliches Kostenrisiko, falls der Prozess verloren wird oder Auslagen von der* Täter*in nicht zurückzuerlangen sind. Weil die Erfolgsaussichten oft schwer einzuschätzen sind, sollte in jedem Fall anwaltlicher Rat eingeholt werden.

Beweissicherung

  • Um juristisch gegen Hate Speech vorgehen zu können, ist eine möglichst detaillierte Beweissicherung der entsprechenden Inhalte notwendig.

  • Auch im Fall einer strafrechtlichen Verfolgung, bei der die Polizei für die Ermittlungen zuständig ist, empfiehlt es sich daher eine eigene Sicherung vorzunehmen und die entsprechenden Daten an die Behörden zu übermittlen.

Zur Sicherung gehören

  • Screenshots der strafbaren Äußerung inklusive der URL, dem User*innamen der Urheber*in sowie Datum und Uhrzeit der Veröffentlichung. Eine Kurzanleitung zum Anfertigen rechtssicherer Screenshots findet sich auf der Webseite des Bundesverbandes der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG).

  • Kontext der Äußerung: Screenshots von vorhergehenden Äußerungen, auf die sich der strafbare Post bezieht bzw. URL zum Thread, in dem die Äußerung getätigt wurde.

  • Bei Äußerungen in Videos das zusätzliche Herunterladen von entsprechenden Videodateien.

  • Hinweise auf die Identität der Urheber*in: Etwa die Startseite des User*inprofils in sozialen Netzwerken oder das Impressum von Internetseiten sowie sonstige Hinweise, die sich bspw. aus anderen Posts unter gleichem Profilnamen ergeben.

Weiterführende Informationen zum Thema Hate Speech und Zugang zum Unterstützungs- und Beratungsangebot:

» www.raa-sachsen.de/hatespeech