Was wird als rechtsmotivierter Angriff erfasst?
Die Definition rechtsmotivierter und rassistischer Gewalt der Beratungsstellen ist angelehnt an jene aus dem polizeilichen Definitionssystems der Politisch motivierten Kriminalität des BKA (2001 durch die Innenministerkonferenz beschlossen und seitdem in Kraft, zuletzt überarbeitet mit Stand Dezember 2016).
„Der wesentliche Kerngedanke einer „rechten" Ideologie ist die Annahme einer Ungleichheit/Ungleichwertigkeit der Menschen.“ Als PMK- rechts zählt demnach, „wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie sich gegen eine Person wegen ihrer/ihres zugeschriebenen oder tatsächlichen politischen Haltung, Einstellung und/oder Engagements, Nationalität, ethnischen Zugehörigkeit, Hautfarbe, Religionszugehörigkeit, Weltanschauung, sozialen Status physischen und/oder psychischen Behinderung oder Beeinträchtigung, sexuellen Orientierung und/oder sexuellen Identität oder äußeren Erscheinungsbildes, gerichtet sind und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht bzw. sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richtet.“ (Bundesministerium des Inneren/ Bundesministerium der Justiz (Hrsg.): Definitionssystem Politisch motivierte Kriminalität. Berlin 2016.)
Bei der Betrachtung der „Umstände der Tat“ und der „Einstellung des Täters“ ist für die Beratungsstellen die Wahrnehmung der Betroffenen, also die Opferperspektiveausschlaggebend.
Kriterien, die Aussagen über die Einstellung des Täters zulassen, sind:
Äußerungen des Täters vor, während oder nach der Tat
Kleidung oder Symbole, die der Täter trägt
Organisierung des Täters in rechten Gruppierungen
Umstände der Tat, die für ein rechtes Tatmotiv sprechen, können sein:
Tatkontext wie Zeit und Ort (einschlägige Daten wie 20. April, Männertag, 1. Mai, etc. oder Orte wie Volksfeste, Demonstrationen)
Tatzusammenhänge wie wiederholte Angriffe, auch unterhalb der Gewaltschwelle (Sachbeschädigungen, Schmierereien, Aufkleber, etc.)
Art der Tatbegehung (Exzess, besondere Brutalität, Demütigung, Folter)
Die Auswahl des Opfers. Aus der Tat selbst spricht mit der Auswahl des Opfers die Einstellung des Täters. Der Angriff wird aufgrund von Ungleichwertigkeitsvorstellungen verübt, d.h. aufgrund der Einstellung, dass ein Mensch wegen seiner Hautfarbe, sexuellen Orientierung oder seines Erscheinungsbildes, nicht genauso viel wert sei. Die Tat richtet sich nicht gegen das Individuum als solches, sondern stellvertretend gegen eine Gruppe.
Als -rechts- erfasste Tatmotivationen:
Antisemitismus
Rassismus
antimuslimischer Rassismus
Antiromaismus
wegen sexueller Orientierung/geschlechtlicher Identität (gegen LGBTIQ*)
Sozialdarwinismus (gegen Menschen mit Behinderung)
Sozialdarwinismus (gegen Wohnungslose)
gegen politische Gegner_innen
Journalist_innen
politische Verantwortungsträger_innen
gegen Nichtrechte oder Alternative
Als -Gewalt- erfasste Straftatbestände
Gezählt werden ausschließlich Gewalttaten. Anspruch der Statistik ist es jene Spitze des Eisbergs rechter Straftaten abzubilden, die Menschen in ihrer körperlichen Unversehrtheit verletzt. Vorfälle in den Bereichen rassistische Beleidigung, Verwendung von verfassungswidrigen Symbolen, rassistische Diskriminierung und Mobbing werden in der Statistik nicht berücksichtigt. Die Benennung und Definitionen der Gewalttaten orientieren sich an den Straftatbeständen des Strafgesetzbuches, um Nachvollziehbarkeit und Vergleichbarkeit mit den behördlichen Zahlen zu gewährleisten. Ausnahmen bilden Sachbeschädigung sowie Nötigung und Bedrohung.
massive Sachbeschädigung
Nötigung/Bedrohung
einfache Körperverletzung
gefährliche Körperverletzung
schwere Körperverletzung / versuchte Tötung
Tötung
Brandstiftung
sonstige Gewalttaten (z.B. Raub, Landfriedensbruch)
Auch der Versuch zählt als einfache, gefährliche Körperverletzung.
Sachbeschädigungen werden nur in massiven oder vehementen Fällen gezählt.
Massive Sachbeschädigung:
richtet sich indirekt gegen Personen, Personengruppen, politische Projekte (Wohnprojekte, Organisationen, Parteien) und …
ist ein Eindringen in den persönlichen Nahraum bei tatsächlicher Möglichkeit der Gefährdung der persönlichen Unversehrtheit, oder …
der entstandene Sachschaden muss eine vorübergehende Unbrauchbarkeit oder Zerstörung bedeuten und damit einer Brandstiftung gleichkommen
handelt es sich um regelmäßige Beschädigung an einem Objekt mit zwar geringem Sachschaden, aber die Häufigkeit zwingt zu Maßnahmen, zählen mehrerer solcher nicht massiver Sachbeschädigungen als EIN Vehemenzfall, d.h. werden als EINE massive Sachbeschädigung gezählt
Es handelt sich um eine Nötigung oder um eine Bedrohung, wenn
die Kriterien nach StGB §§240,241 erfüllt sind oder
Anfeindungen/Aggressionen/Einschüchterungen, die von Betroffenen aufgrund der Intensität oder Häufung als Bedrohung wahrgenommen werden und erhebliche Folgen haben
Ob die Nötigung oder Bedrohung schriftlich, mündlich, per Geste, telefonisch, im Internet oder an der Hauswand erfolgt, ist unerheblich
Kriterien erheblicher Folgen:
Subjektives Bedrohungsgefühl der Betroffenen – erhebliche Verunsicherung bezüglich der eigenen Sicherheit – bspw. Überlegungen wegzuziehen, zu kündigen, Vermeidung von bestimmten Orten/Kontakten, Einschränkung des Bewegungsfreiraumes
Erhebliche finanzielle Folgen – Aufgabe/Verlust der Existenz, Umzug, Verlust des Arbeitsplatzes, finanzielle Mehrausgaben z.B. für Sicherheitseinrichtungen (Bewegungsmelder, Jalousien)
Erhebliche gesundheitliche Schädigungen – bspw. Angststörungen, PTBS, Panikattacken, Schlafstörungen, Verlust von Lebenslust und Lebensfreude
Brandstiftungen gehen in die Statistik ein, wenn:
die Kriterien nach §306, §306a oder §306b erfüllt sind
sie sich indirekt gegen Personen, Personengruppen, politische Projekte (Wohnprojekte, Organisationen, Parteien) richten
es müssen zur Zählung keine Personen anwesend sein
Fälle nach §306d Brandstiftung mit Todesfolge werden als Tötung gezählt
Als sonstige Gewalttaten gehen rechtsmotivierte Gewalttaten ein, die nicht unter die anderen Straftatbestände fallen, jedoch Gewalttaten sind.
Beispiel Raub: Bei Fällen nach § 249 ff. handelt es sich, wenn unter Anwendung oder Androhung von physischer Gewalt etwas entwendet wird. D.h. in Fällen von Raub handelt es sich um Körperverletzungsdelikte in Verbindung mit Diebstahl. Ein Raub ist also immer eine Gewalttat.
Beispiel Landfriedensbruch: Fälle von Landfriedensbruch werden aufgenommen, wenn es sich um Gewalt aus Ansammlungen heraus handelt, die sich gegen Personen oder Personengruppen richtet, die einer Betroffenengruppe rechtsmotivierter Gewalt zuzuordnen sind. Gezählt werden gewalttätige Ansammlungen vor Asylsuchendenunterkünften oder linken Hausprojekten, nicht jedoch Ausschreitungen gegen die Polizei bei Demonstrationen.
Auf welchen Daten basiert die Statistik?
Eine Aufnahme in die Statistik erfolgt erst durch die Beratungsstellen, wenn ausreichend Informationen zu einem Fall vorliegen, die eine Einordnung nach obenstehender Definition ermöglichen. Im Idealfall besteht ein direkter Kontakt zum Betroffenen oder aber externe vertrauenswürdige Quellen liefern die notwendigen Hinweise zu einem Fall. Eine Zählung nach Hören-Sagen erfolgt nicht.
Die Hinweise zu Angriffen erlangen die Beratungsstellen u.a. über:
die Betroffenen
Angehörige, Freund_innen, Community
Kooperations- und Netzwerkpartner_innen vor Ort
eindeutige Meldungen der Polizei oder Nachfrage bei der Polizei
eindeutige Presseartikel
monatliche Kleine Anfragen im Landtag zur PMK-rechts