Statistik 7. März 2019

Rechtsmotivierte und rassistische Gewalt in Sachen 2018

Im Jahr 2018 zählten die Opferberatungsstellen in Sachsen 317 Angriffe. Damit stieg die Zahl der Angriffe im Vergleich zum Vorjahr (229) um ca. 38 %. Von diesen 317 Angriffen sind 481 Personen direkt betroffen gewesen.

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Die Zahl der rechtsmotivierten und rassistischen Angriffe in Sachsen stieg im Jahr 2018 wieder an. Dieser Anstieg um knapp 40% ist unter anderem auf die Ereignisse im Sommer in Chemnitz zurückzuführen. Mehrere tausend Rassist*innen, Rechte und Neonazis gingen mehrere Tage in Chemnitz auf die Straße, bei Demonstrationen von AfD, Pro Chemnitz und Pegida instrumentalisierten sie die Tötung eines Menschen um gegen Geflüchtete, Migrant*innen, Linke und Medien zu hetzen und Gewalt auszuüben. In der Folge häuften sich rassistisch motivierte Attacken in der Stadt, Anschläge auf Restaurants, eine Gruppe Neonazis ging als „Bürgerwehr“ gegen Migrant*innen vor, bis sie wegen des Verdachts der Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung festgenommen wurden. In Chemnitz vervierfachten sich die Angriffe im Vergleich zum Vorjahr, wobei 81% während oder im Nachgang der Ausschreitungen im Sommer verübt wurden.

Ein schwerwiegender Fall rechtsmotivierter Gewalt wurde kaum in der Öffentlichkeit wahrgenommen: Am 17. April 2018 wurde der 27-jährige Christopher W. von drei Tätern, die der rechten Szene zuzuordnen sind, brutal getötet. Aufgrund seiner sexuellen Orientierung beschimpften ihn die Täter, mit denen er bekannt war, immer wieder als "Schwuchtel", schlugen ihn und verletzten ihn mehrfach. Christopher W. ist nach 30 Jahren Wiedervereinigung das 17. Todesopfer rechter Gewalt in Sachsen.

Angriffe im Überblick

Im Jahr 2018 zählten die Opferberatungsstellen in Sachsen 317 rechtsmotivierte und rassistische Angriffe. Damit stieg die Zahl im Vergleich zum Vorjahr (229) um 38%. Von den Angriffen sind 481 Personen direkt betroffen gewesen, größtenteils Männer (263). Auch Kinder (65) und Jugendliche (18) waren von Gewalt direkt betroffen.

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Der Anteil der Fälle, in denen Anzeige erstattet wurde, beläuft sich wie auch in den zurückliegenden Jahren bei ca. ¾, d.h. 241 der Angriffe sind polizeibekannt, lediglich 39 wurden nicht angezeigt, in 37 ist es nicht bekannt. Von diesen 241 polizeibekannten Gewalttaten sind aktuell 154 Fälle auch offiziell als PMK rechts gewertet, soweit dies aus den vom Innenministerium im Zuge monatlicher kleiner Anfragen im Sächsischen Landtag herausgegebenen Straftaten im Phänomenbereich "Politisch motivierte Kriminalität - rechts" hervorgeht.

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Regionale Verteilung und Schwerpunkte

Der Schwerpunkt der Gewalt lag 2018 in der Stadt Chemnitz (79), wo sich die Zahl der Angriffe im Vergleich zum Vorjahr (20) vervierfachte. Allein 48 dieser Angriffe wurden im Zusammenhang mit den rechten Demonstrationen verübt, weitere 16 folgten bis Jahresende. 81% der Angriffe in Chemnitz fanden also während oder im Nachgang zu den Ausschreitungen im Sommer statt.

Weitere Schwerpunkte blieben auch 2018 die Städte Dresden (60) und Leipzig (60) sowie der Landkreis Leipzig (24). Auch der Landkreis Nordsachsen war mit einem deutlichen Anstieg der Angriffszahlen um 229% von 7 auf 23 eine Schwerpunktregion rechter Gewalt.

Im Vogtlandkreis gab es ebenfalls einen Anstieg auf 16, sowie im Landkreis Sächsische Schweiz/Osterzgebirge auf 11 und Landkreis Görlitz auf 8 Angriffe. Rückgänge sind hingegen in den Landkreisen Bautzen (13), Meißen (4), Zwickau (9) und am deutlichsten im Erzgebirge (4) zu verzeichnen gewesen. Der Landkreis Mittelsachsen (6) verbleibt auf vergleichsweise niedrigem Niveau.

Auch im Verhältnis zur Einwohner*innenzahl bleibt das Bild der Schwerpunkte rechter Gewalt in Sachsen erhalten. Je 100.000 Einwohner*innen wurden in Chemnitz 32,8, in Leipzig 11,5 und in Dresden 11,4 Angriffe verübt, im Landkreis Nordsachsen 11,6 und im Landkreis Leipzig 9,3.

Stadt Chemnitz, 07.10.2018: Überfall auf Restaurant

Am Abend des 07.10.2018 überfielen drei unbekannte Männer in Motoradbekleidung, inklusive Vermummung durch Helme, ein persisches Restaurant in Chemnitz und attackierten den Eigentümer, indem Sie ihm mit seinem eigenen Inventar bewarfen. Er erlitt eine Verletzung am Kopf und musste im Krankenhaus behandelt werden.

Stadt Leipzig, 18.07.2018: Syrer im Hauptbahnhof bedroht und angegriffen

Ein 40-jähriger alkoholisierter Mann zeigte zunächst den Hitlergruß in Richtung zweier Syrer (15 und 20), bedrohte diese anschließend und schlug einen der beiden ins Gesicht. Anschließend trat er gegen die Hand des einen Geschädigten, um ihn davon abzuhalten die Polizei zu rufen. Im weiteren Verlauf des Angriffs zog er auch noch ein Cuttermesser, bedrohte die beiden damit, verletzte sie aber nicht weiter. Beamte der Bundespolizei konnten den Täter festsetzen, der Staatsschutz übernimmt die weiteren Ermittlungen.

Stadt Dresden, 28.11.2018: Rassistischer Angriff in Straßenbahn

Am Mittwochabend gegen 20 Uhr stiegen ein Mann und eine Frau am Postplatz in eine Straßenbahn der Linie 6 in Richtung Niedersedlitz. Unmittelbar danach forderte der Mann lautstark, dass alle Ausländer die Straßenbahn zu verlassen hätten. Als der Mann von zwei Fahrgästen zur Rede gestellt wurde, darunter ein 40-jähriger Mann libyscher Herkunft, eskalierte die Situation. Sowohl der Mann, als auch die Frau schlugen nun auf den 40-Jährigen ein und verletzten ihn. Nach der Tat verließ das Duo unerkannt die Straßenbahn an der Haltestelle Jahnstraße.

Landkreis Nordsachsen, 01.09.2018: Erneuter Angriff auf Familie mit fünf Kindern

Nachdem bereits im Juli ein 31-jähriger pakistanischer Menschenrechtsaktivist von mehreren Nazis in Bad Düben angegriffen worden war und er sich dabei beide Handgelenke brach, wurden er und seine Familie erneut Opfer eines rassistischen Angriffs. Wie die Polizei und die Familie berichten, haben zwei mit Baseballschlägern bewaffnete Männer versucht in der Nacht gewaltsam in die Wohnung in Laußig einzudringen. Zu diesem Zeitpunkt seien die Mutter mit ihren fünf Kindern allein zuhause gewesen. Der 31-jährige verbrachte den Abend mit Freunden in einer Gartenlaube in der Nähe. Zu dieser gingen die Täter nach dem gescheiterten Versuch in die Wohnung zu gelangen, demolierten das Auto der Familie und rannten anschließend weg. Zwei 18 und 29-jährige Täter konnten im Anschluss von der Polizei gefasst werden, es laufen jetzt Ermittlungen wegen Bedrohung und Sachbeschädigung.

Landkreis Leipzig, 23.02.2018: Schwangere Frau in Wurzen angegriffen

Eine im 7. Monat schwangere Frau aus Eritrea wurde offenbar direkt vor ihrem Wohnhaus in Wurzen von zwei Personen beleidigt, geschlagen und getreten. Die junge Frau konnte sich anschließend in ihre Wohnung retten, von der aus sie eine Betreuerin zu Hilfe rufen konnte. Ihre leichten Verletzungen konnten ambulant behandelt werden, das ungeborene Kind ist nicht in Gefahr. Die beiden Täter konnten nur als schwarz gekleidet beschrieben werden, die Polizei ermittelt.

Straftatbestände

Überwiegend handelte es sich bei den Angriffen 2018 um Körperverletzungsdelikte (223) darunter 105 gefährliche, 117 einfache und 1 schwere Körperverletzung. In 79 Fällen handelte es sich um eine Nötigung oder Bedrohung. 5 Brandstiftungen wurden verübt, darunter ein Brandanschlag auf ein Restaurant in Chemnitz.

Ein Mensch verlor im Jahr 2018 sein Leben. Am 17. April 2018 wurde der 27-jährige Christopher W. von drei Tätern, die der rechten Szene zuzuordnen sind, brutal getötet. Aufgrund seiner sexuellen Orientierung beschimpften ihn die Täter, mit denen er bekannt war, immer wieder als "Schwuchtel", schlugen ihn und verletzten ihn mehrfach. Christopher W. ist nach 30 Jahren Wiedervereinigung das 17. Todesopfer rechter Gewalt in Sachsen.

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Tatmotive

Seit 2012 sind die meisten der rechten Angriffe rassistisch motiviert, seit 2014 sind ca. 2/3 der Angriffe aufgrund von Rassismus verübt wurden, so auch 2018. Rassismus ist in 208 Fällen das Tatmotiv gewesen, 54 Angriffe richteten sich gegen politische Gegner*innen, 20 davon gegen Journalist*innen. In 26 Fälle richtete sich die Gewalt gegen Nichtrechte und Alternative, in 11 Fällen gegen Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung/Identität. 2 Angriffe waren antisemitisch motiviert. In 15 Fällen blieb das konkrete Tatmotiv unklar, zumeist aufgrund mangelnder Angaben zum Themenfeld in den Antworten auf die monatlichen kleinen Anfragen zu PMK rechts im Sächsischen Landtag.

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Angriffsorte

Angriffe auf politische Gegner*innen wurden vor allem im Umfeld von Demonstrationen (34), darunter auch gegen Journalist*innen (18) verübt, insbesondere während der Ereignisse in Chemnitz. Aber auch rassistisch (11) und antisemitisch (1) motivierte Angriffe gab es 2018 im Umfeld von Demonstrationen, allesamt in Chemnitz.

Insgesamt gab es 46 Angriffe im Umfeld von Demonstrationen, 35 davon in Chemnitz. 7 Angriffe wurden in Dresden u.a. im Umfeld von Pegida, zwei in Ostritz (Landkreis Görlitz) im Umfeld eines Neonazis-Festivals und zwei weitere in Wurzen (Landkreis Leipzig) verübt. Dabei handelte es sich zumeist um Körperverletzungsdelikte (32) oder Nötigungen und Bedrohungen (13).

Gestiegen ist die Zahl der Angriffe auf Wohnungen bzw. im Wohnumfeld von 18 in 2017 auf 30 in 2018. Das waren vor allem Körperverletzungen (14) und Bedrohungen/Nötigungen (12) aber auch 3 Brandstiftungen. Zumeist richteten sich die Attacken gegen Menschen aus rassistischen Motiven (20), in fünf Fällen gegen Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung/Identität. Aber auch Nichtrechte und Alternative sowie politische Gegner*innen wurden zum Ziel.

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Landkreis Zwickau, 28.03.2018: Wohn-und Kulturprojekt in Limbach-Oberfrohna im Visier

Am Abend versammelten sich drei Personen die gegen Fenster und Tür eines alternativen Wohn-und Kulturprojektes schlugen und dabei „Ihr Fotzen, kommt raus, ihr Zecken!“ riefen. Im Verlauf wurde zudem die Drohung ausgesprochen, dass das Haus in den nächsten Tagen brennen würde. Bewohner_innen des Hauses kamen auf die Straße um die Situation zu beruhigen, was nicht gelang. Eine Passantin kam hinzu und versuchte ebenfalls zu deeskalieren. Im Zuge dessen wurde die Frau von einem der drei Angreifer ins Gesicht geschlagen. Die alarmierte Polizei nahm die Personalien der Anwesenden auf und den Täter mit auf die Wache, seine beiden Freunde konnten gehen.

Beratung von Betroffenen rechtsmotivierte und rassistischer Angriffe 2018

2018 unterstützten, begleiteten und berieten die Beratungsstellen des RAA Sachsen e.V. in insgesamt 260 Beratungsfällen. In diesen 260 Beratungsfällen wurden 343 Betroffene und 38 Andere Personen (Angehörige, Freund_innen, Zeug_innen …), also insgesamt 381 Menschen beraten. 61 der Beratungsfälle konnten abgeschlossen werden.

Die 260 Beratungsfälle basieren auf 187 Angriffen. In 73 Fällen lag kein Angriff im Sinne unserer Gewaltdefinition zugrunde, sondern es gab einen anderen Beratungsanlass, z.B. Bedrohungen unterhalb der Gewalttat, Beleidigung, Diskriminierung oder rechtliche Fragen.

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Die 187 Angriffe, die den Beratungsfällen zugrunde liegen, stammen nicht alle aus dem Jahr 2018. Es können ebenso Angriffe aus vergangenen Jahren sein, deren Betroffene jedoch noch immer von den Beratungsstellen unterstützt werden. Ein Beratungsfall kann sich je nach polizeilicher Aufklärung, juristischer Strafverfolgung oder notwendiger psychosozialer Beratung über mehrere Jahre erstrecken. Entscheidend für das Einfließen in die hier vorliegende Beratungsstatistik ist mindestens eine im Jahr 2018 erfolgte Unterstützungsleistung.

99 der 187 Angriffe, die Anlass von Beratungsfällen sind, fanden im Jahr 2018 statt. Das heißt auch, dass in 31% der im Jahr 2018 gezählten Angriffe (317) Betroffene Beratung des RAA Sachsen e.V. in Anspruch nahmen. Bei den 187 Angriffen, in denen Betroffene unterstützt wurden, handelte es sich überwiegend Köperverletzungen. Aber auch in 2 zurückliegenden Mordfällen wurde beraten.

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Beratungsnehmende

Beratung nahmen sowohl 343 Betroffene als auch 38 Andere Personen (Angehörige, Freund_innen, Zeug_innen, weiteres soziales Umfeld …), also insgesamt 381 Menschen in Anspruch. Die 343 Betroffenen, die im Jahr 2018 durch die Opferberatungsstellen begleitet und unterstützt wurden, sind zum Großteil betroffenen von Rassismus. Die insgesamt 381 Beratungsnehmenden waren zu 56% männlich und zu 60% zwischen 18 und 40 Jahren alt. Auch Kinder und Jugendliche wurden beraten.

Unterstützungsleistungen

Zu den Beratungstätigkeiten der Opferberatungsstellen gehören vor allem Beratungsgespräche, Unterstützung bei Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht, die direkte Begleitung zur Polizei oder zu Gerichtsverfahren. Außerdem vermitteln und begleiten die Berater*innen zu Rechtsanwält*innen oder auch Ärzt*innen und Psycholog*innen. Auch die Vermittlung zu weiteren passenden Angeboten gehört dazu. In vielen Fällen ist die Organisation von Dolmetschern notwendig.
Im Jahr 2018 waren Andere Unterstützungen – hier vor allem die Organisation von Schutzmaßnahmen, die Unterstützung bei Umzügen, vor allem bei der Wohnungssuche, die Unterstützung bei Behörden wie Ausländerbehörde, Jobcenter, sowie bei Schule – besonders gefragt.

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