Pressemitteilung vom Bündnis gegen Antisemitismus in Dresden und Ostsachsen
Am Sonntag, den 13. Februar 2022, marschierten erneut hunderte Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet durch Dresden, um der Bombardierung der Stadt im Zweiten Weltkrieg zu gedenken. Dabei versammelten sie sich unter anderem hinter einem Transparent der Partei „Die Rechte“, auf dem in Großbuchstaben der Begriff „Bombenholocaust“ zu lesen war. ...
... Die damit zum Ausdruck gebrachte Gleichsetzung der Bombardierung Dresdens im Februar 1945 mit der systematischen Entrechtung und Vernichtung der als Jüdinnen* und Juden* Verfolgten im Nationalsozialismus stellt in unseren Augen eine unzumutbare Verharmlosung der Schoah dar, die ihre Wirkung auf die Hinterbliebenen bis heute nicht verfehlt. Dazu ein Mitglied der Repräsentantenvertretung der Jüdischen Gemeinde zu Dresden:
„Dass Neonazis den Begriff „Bombenholocaust“ bereits seit 2005 nutzen, um sich selbst als Opfer zu inszenieren und das Ausmaß der Verbrechen der Nationalsozialisten herunter zu spielen, schmälert nicht im geringsten die seelischen Verletzungen der Nachkommen und Überlebenden der Schoah, wenn sie derartige Relativierungen auf einer öffentlichen Demonstration in Deutschland hören und sehen.“
Es sind aber nicht nur die aufgerissenen Wunden der Überlebenden und Nachkommen, die zu einem entschiedenen Handeln gegen diesen Geschichtsrevisionismus auffordern, sondern auch seine gesamtgesellschaftliche Verbreitung und Wirkung. Hierzu erneut das Mitglied der Repräsentantenvertretung der Jüdischen Gemeinde zu Dresden:
„Es sind ja längst nicht mehr nur Neonazis, die eine Verharmlosung der Schoah für ihre politischen Zwecke betreiben. Bürger*innen aus der Mitte der Gesellschaft schließen sich Woche für Woche den sogenannten Spaziergängen von Querdenken und Freien Sachsen an und tragen durch das Tragen gelber Ungeimpft-Sterne oder von Plakaten mit der Aufschrift „Inzidenz 1933“ zu einer stetigen Verschiebung gesellschaftlicher Realitäten bei. Und auf Worte folgen Taten: Das machen die zahlreichen verbalen und körperlichen Angriffe auf Kommunalpolitiker*innen, Journalist*innen und Gegendemonstrant*innen leider nur all zu deutlich.“
Welche Unterstützung sich das Bündnis gegen Antisemitismus in Dresden und Ostsachsen von der sächsischen Politik, Justiz und Polizei im Kampf gegen die Verharmlosung der Schoah erhofft, erläutert Robert Kusche vom RAA Sachsen e.V.:
„Die Beispiele Berlins und Niedersachsens zeigen, dass Justiz und Polizei der Verharmlosung der Schoah nicht einfach tatenlos zusehen müssen. In beiden Bundesländern wurde die Polizei auf dem Dienstweg aufgefordert, gegen das Tragen gelber Davidsterne mit der Inschrift „ungeimpft“ vorzugehen. Grundlage dafür ist unter anderem eine Neubewertung der Berliner Justiz, die im Tragen des Symbols eine Verharmlosung der Schoah sieht, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. In die Argumentation eingeschlossen sind explizit auch andere Vergleiche mit der Verfolgung von Jüdinnen* und Juden* oder der Schoah, die damit ebenfalls strafbar sind.
Wir denken, dass eine Übertragung dieser Praxis auf Sachsen dringend an der Zeit ist und fordern das Sächsische Justizministerium sowie das Sächsische Innenministerium auf, den sächsischen Leitfaden „Antisemitische Straftaten erkennen und konsequent verfolgen“ diesbezüglich weiterzuentwickeln. Natürlich sind aber auch wir als Zivilgesellschaft weiterhin gefordert, jeder Form des Antisemitismus konsequent zu begegnen. Entsprechend prüfen wir derzeit auch, juristisch gegen das Bombenholocaust-Transparent vorzugehen.“