Pressemitteilung: Tag des Grundgesetzes – Ein Grund zum Feiern, aber nicht für alle
Bündnis gegen Antisemitismus in Dresden und Ostsachsen veröffentlicht statistische Auswertung zu antisemitischen Straftaten in (Ost-) Sachsen.
Vor 74 Jahren – am 23. Mai 1949 – trat das deutsche Grundgesetz in Kraft. Nach der Schoah, die das ganze mörderische Grauen des nationalsozialistischen Antisemitismus offenbarte, sollten alle Menschen auf deutschem Boden durch die unveränderlichen Grundrechte (Art. 1 – 20) in Freiheit und Unversehrtheit leben können. Doch auch im Jahr 2022 sind Menschen in Deutschland weiterhin von antisemitischen Straftaten im öffentlichen Raum betroffen. Diskriminierende Äußerungen, verfassungsfeindliche Schmierereien, Sachbeschädigungen und auch physische Angriffe finden regelmäßig statt. Das Bündnis gegen Antisemitismus in Dresden und Ostsachsen rückt diese spezifischen Delikte politisch motivierter Kriminalität mit der Veröffentlichung einer regionalen deskriptiven Auswertung in den Blick der Öffentlichkeit.
Die wichtigsten Erkenntnisse im Überblick:
In Sachsen bleiben die antisemitischen Straftaten auf hohem Niveau: 174 Fälle wurden 2022 polizeilich registriert – an fast jedem zweiten Tag passierte in sächsischen Orten eine antisemitische Straftat.
Bei der überwiegenden Zahl der Fälle handelt es sich um sogenannte Propagandadelikte, die klar dem rechten politischen Spektrum zuzuordnen sind. Auch physische Angriffe blieben nicht aus.
Ernüchternd ist die juristische Aufarbeitung: Nur 16 Verurteilungen fanden 2022 statt.
Die Großstädte Leipzig und Dresden bleiben Schwerpunktregionen für antisemitische Straftaten. In Meißen waren die Fallzahlen im Verhältnis zur Einwohner*innendichte am höchsten.
Der Abgleich der polizeilichen Statistik mit der Chronik der Opferberatungsstelle „Support“ gibt einen Einblick ins Dunkelfeld: 29 antisemitische Vorfälle wurden nicht polizeilich registriert.
Mit dieser Auswertung wie auch allen anderen Aktivitäten verfolgt das Bündnis gegen Antisemitismus in Dresden und Ostsachsen das Ziel, das Problembewusstsein in der Bevölkerung und den Behörden zu schärfen. Antisemitismus bleibt eine akute Bedrohung für Jüdinnen*Juden, die in Sachsen leben. Nur durch klare Haltung, deutliches Benennen und konsequentes Handeln gegen Antisemitismus auf allen gesellschaftlichen Ebenen kann erreicht werden, dass die Grundrechte auf Menschenwürde und ein diskriminierungsfreies Leben für alle Menschen in (Ost-) Sachsen verwirklicht werden. Ansonsten wird ein Teil der Bevölkerung der Tag des Grundgesetzes nicht als Anlass zum Feiern, sondern Verzerrung ihrer Lebensrealität verstehen. Für uns alle sollte der Tag eine Mahnung sein, stets für die Grundrechte einzustehen.
Die gesamte Auswertung ist hier zu finden.