Prozessbericht: "Das Regime der Gewalt"
Am 24. Juni 2022 endete der dreitägige Prozess gegen fünf Justizvollzugsangestellte am Amtsgericht Dresden wegen u.a. gefährlicher Körperverletzung im Amt. Den Beschuldigten wurde durch die Staatsanwaltschaft Dresden mehrere Delikte vorgeworfen, die sie während ihrer Dienstzeit 2018 in der JVA Dresden begangen haben sollen. Die Taten selbst wurden erst durch ein vorheriges Ermittlungsverfahren bekannt, da die Übergriffe teilweise in einem internen Chat dokumentiert wurden.
Bereits vor Beginn des Prozesses kritisierten wir als Fachberatungsstelle Support für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt die Verschleppung des Verfahrens als fatales Signal an die Betroffenen. Aufgrund der relativ langen Verfahrensdauer bis zur Eröffnung der Hauptverhandlung waren die Geschädigten, sowie andere Mitgefangene als Zeugen nicht mehr erreichbar oder wurden bereits abgeschoben. Daher wurden ihre Aussagen lediglich im Selbstleseverfahren oder indirekt durch die Aussagen von Vernehmungsbeamt*innen in den Prozess eingeführt. Demnach war es nur schwer möglich, die Perspektive der Menschen, die Misshandlungen und Gewalt erlebt haben und deren Auswirkung für ihr Leben nachzuvollziehen. Einzig durch die Nebenklageanwältin Rita Belter fand die Betroffenenperspektive eine juristische Vertretung im Prozess. Der folgende Bericht zeichnet den Prozess nach und gibt einen Einblick in das "Regime der Gewalt" (1) in der JVA Dresden.
Die Anklage
Angeklagt waren die Justizvollzugsbeamten A. Baumann, D. Zabel, T. Walter, J. Salomon und S. Vogel. Die Staatsanwaltschaft warf ihnen in vier Punkten verschiedene Straftaten vor: In einem Fall soll ein Beamter unrechtmäßig Fotos eines Inhaftierten erstellt und diese in einem Chat mit Kolleg*innen geteilt haben. Diese sollen die Fotos mit Gewaltfantasien und sexistischen Äußerungen kommentiert haben. In einem weiteren Fall soll ein Inhaftierter nach Feuer zum Rauchen gefragt haben, woraufhin drei Justizvollzugsbeamte den Haftraum betreten, zwei Beamte ihn zu Boden gebracht und ihn mit Tritten auf den Oberkörper und den Kopf traktiert haben sollen. Im dritten Fall soll ein Betroffener, der in einem besonders gesicherten Haftraum (BgH) untergebracht war, mit einer Taschenlampe geblendet und anschließend zu Boden gebracht, die Hände auf dem Rücken gefesselt und geschlagen worden sein. Schließlich wurde einem Angeklagten vorgeworfen einen inhaftierten Geschädigten in seinen mit Wasser überfluteten Haftraum geschubst zu haben, wodurch dieser ausrutschte und mit dem Kopf gegen die Tür schlug und eine Verletzung am Kopf erlitt.
Im zweiten Prozesstermin stellte sich heraus, dass aufgrund des Gruppenchats, der in den Ermittlungen zum durchgestochenen Haftbefehl durch D. Zabel entdeckt wurde (2), anfangs in neun Fällen wegen des Verdachts einer Straftat ermittelt wurde. Hiervon sind lediglich vier Vorfälle angeklagt und ein weiterer gegen Auflagen eingestellt worden.
Der Prozess – Erster Tag
Am ersten Prozesstag folgte nach der Anklageverlesung eine Teileinlassung von S. Vogel durch seinen Verteidiger: Er räumte ein, Fotos Inhaftierter erstellt und im Chat geteilt zu haben, zum Vorwurf der Körperverletzung eines Inhaftierten durch Schubsen in einen mit Wasser überfluteten Haftraum äußerte er sich nicht. Nach einem Rechtsgespräch ohne Einigung sagte auch D. Zabel über seinen Verteidiger aus. Er beschrieb die ihm vorgeworfene gemeinsame Körperverletzung mit J. Salomon und A. Baumann aus seiner Perspektive und kam zu dem Schluss, dass der Gefangene zu keiner Zeit physisch misshandelt wurde und alle angewandten Techniken der standardgemäßen Eigensicherung entsprächen. Diese Aussage bestätigte ebenso J. Salomon, der zum Zeitpunkt der angeklagten Tat in Ausbildung und erst eine Woche in der JVA Dresden war. Er verlas seine Aussage selbst und erklärte, er habe seinen Dienst nach Vorschrift verrichtet, keine Regeln missachtet und nach Anweisungen seiner Kollegen gehandelt. Die Verteidigung von A. Baumann schloss sich den Schilderungen an, mit der Ergänzung, dass es sich bei den beschriebenen Situationen um Sonderfälle handeln würde, in denen die Beamten durch das Verhalten der Inhaftierten stark belastet gewesen wären. Bei den Kommentaren zu den Vorfällen im Chat handele es sich bloß um hässliche Beschreibungen von korrekten Handlungen nach Dienstvorschrift. Der Angeklagte T. Walter gab an, er könne sich an nichts erinnern und wüsste nicht mal, ob er an besagtem Tag Dienst gehabt hätte.
Nach der Pause wurden zwei Polizeibeamte zur Auswertung der Chats und zu den Vernehmungen ehemaliger inhaftierter Personen befragt, ohne nennenswerte Ergebnisse. Anschließend wurde ein weiterer JVA-Beamter vernommen, gegen den das Verfahren bereits im Vorfeld gegen Auflagen eingestellt wurde. Der Zeuge widersprach sich in der eigenen Aussage mehrmals, wich Fragen zu konkreten Handlungsabläufen aus und bagatellisierte den Vorfall. Dies begründete er auch damit, der Geschädigte hätte sich im Nachhinein nicht bei ihnen beschwert; das hätte er ja wohl gemacht, wenn er die Maßnahme als nicht gerechtfertigt angesehen oder Verletzungen erlitten hätte.
Bereits am ersten Tag irritierte die entspannte Atmosphäre im Gerichtssaal - Richter Roland Wirlitsch witzelte in Richtung Angeklagte und Verteidiger*innen darüber, wie einer der geschädigten Zeugen zu erreichen wäre und ob einer der Anwesenden nicht mal bei ihm Zuhause vorbeifahren wolle. Als ein JVA-Beamter im Zeugenstand erklärte, seine Nachricht im Chat "Guck weg bei der Türwache, lass es wie ein Unfall aussehen." wäre nur ein Filmzitat, er wisse aber nicht mehr woher, ergänzten ein Verteidiger und der Richter bereitwillig, das sei doch aus einem Bond Film und lachten. Gelächter ertönte daraufhin auch aus dem Zuschauerbereich - hier saßen Kolleg*innen aus der JVA.
Die rassistischen Motive der Angeklagten und der massiv rassistische, rechte und antisemitische Ton in deren Chatgruppe schienen an diesem Tag den Vorsitzenden und die Staatsanwaltschaft kaum zu interessieren; keine einzige Nachfrage richtete sich auf die Klärung der Motivlage. Nur durch einen Antrag der Nebenklage wurden die Chat-Protokolle in den Prozess aufgenommen.
Zweiter Prozesstag
Der zweite Prozesstag begann mit der gescheiterten Vorführung eines Geschädigten, der nicht in seiner Wohnung anzutreffen war und dort wohl auch nicht mehr lebt. Mittels Verlesung wurde seine Zeugenaussage aus dem Vorverfahren in den Prozess eingeführt: Er sei in einen Streit zwischen seinem Mitgefangenen und Wärtern geraten, bei dem auch rassistische Äußerungen gegen den Inhaftierten gefallen sein sollen. Daraufhin sei er von einem Wärter in den mit Wasser überfluteten Haftraum geschubst worden und hätte sich beim Sturz gegen den Türrahmen eine Verletzung am Hinterkopf zugezogen. Als er später zur Pflegerin gebracht wurde, hätte er ihr gesagt, dass er eine Anzeige machen wolle, woraufhin sie erwidert haben soll, dass das nicht erlaubt sei. Der Betroffene sagte weiterhin, dass er die Behandlung in der JVA insgesamt als rassistisch empfunden habe.
Anschließend wurden ein Richter, zwei Polizeibeamt*innen, ein JVA Beamter sowie die Leiterin der JVA Dresden vernommen.
Deutlich hervor traten Aussagen eines Geschädigten der im sogenannten besonders gesicherten Haftraum (BgH) untergebracht war und von drei Beamten körperlich misshandelt worden sein soll: In seiner polizeilichen Vernehmung 2019 sagte er aus, als er von den Beamten gefesselt wurde, hätte er gedacht, seine Handgelenke würden gebrochen. Über den Angriff sagte er, er dachte an diesem Tag, er müsse sterben und dass ihn der Übergriff noch lange beschäftigt habe.
Von zentraler Bedeutung war der Antrag der Nebenklagevertretung des Betroffenen, die Chatprotokolle als Beweismittel in das Verfahren einzubeziehen. Die Schilderungen der Angeklagten Baumann und Zabel im Chat deckten sich mit den Aussagen des Geschädigten, der bei seiner Aussage keine Kenntnis des Inhalts hatte. Nebenklagevertreterin Belter begründete den Antrag damit, dass die rassistische Motivation und menschenverachtende Haltung der Angeklagten Baumann und Zabel in den Chatprotokollen klar erkennbar würden. Dass die Angeklagten keinen Hehl aus ihren rassistischen Ansichten machten, zeigte sich zum Beispiel durch Nachrichten darüber, dass ihnen keiner Rassismus vorwerfen könne, so lange sie einen Schwarzen Kollegen dabeihätten.
Richter Wirlitsch zeigte sich am zweiten Prozesstag resigniert und deutlich verärgert über fehlende Zeugen. An dieser Stelle wurde deutlich, wie schwierig eine gründliche Aufarbeitung vor Gericht ist, wenn vom Zeitpunkt der Taten bis zur Verhandlung vier Jahre vergehen und polizeiliche Ermittlungsarbeit mit mäßigem Aufklärungswillen geführt wird.
Dritter Tag: Die Plädoyers
Da der geplante vierte Prozesstag bereits zu Beginn aufgrund von fehlenden Zeugen gestrichen wurde, erfolgte am dritten Tag bereits die Urteilsverkündung. Die Staatsanwaltschaft reproduzierte in ihrem Plädoyer rassistische Narrative, indem sie den Justizvollzugsbeamten, die lediglich ihre Arbeit machen würden, „kriminelle Ausländer“ gegenüberstellte, die es nun mal im Gefängnis gebe. Sie forderte die Verurteilung der Angeklagten in allen vier Anklagepunkten zu mehrmonatigen Gefängnisstrafen und in einem Fall zu einer Geldstrafe und verwies darauf, dass die Chatprotokolle nachweislich gezeigt hatten, dass die Beamten planvoll vorgegangen wären. Inhaftierte seien den Justizvollzugsangestellten ausgeliefert und müssten sich deshalb darauf verlassen können, dass diese adäquat und deeskalierend handeln würden. Entlastend bezog sie mit ein, dass die Handlungen lange zurücklägen und sich die Verurteilung nur auf Aussagen von vor vielen Jahren und Chatverläufe stützen kann.
Die Nebenklagevertreterin kritisierte in ihrem Plädoyer, dass der Staat sich entschieden hatte ihren Mandanten, einen der Betroffenen, in dem Prozess nicht zu benötigen; andernfalls wäre es möglich gewesen ihm eine begrenzte Einreisegenehmigung nach Deutschland für die Dauer des Prozesses auszustellen. Sie stellte die Frage in den Raum, was passiert wäre, wenn ihr Mandant direkt nach der erlebten Körperverletzung eine Anzeige erstattet hätte. Sie verwies darauf, dass die Erfahrungen zeigen würden, dass in solchen Fälle Verfahren mit der Begründung, hier würde Aussage gegen Aussage stehen, zumeist eingestellt würden. Darüber hinaus seien Inhaftierte abhängig von den Justizvollzugsbeamt*innen, weshalb eine Anzeige gegen diese die Situation der Betroffenen eher noch verschlimmern könnte. Die Anwältin betonte, dass hier ein gemeinschaftliches, planvolles Handeln mehrerer Beamter vorläge, das nicht als Einzelfall abgetan werden kann.
Das Urteil
Die Angeklagten J. Salomon, T. Walter, A. Baumann und D. Zabel wurden der gemeinschaftlich begangenen Körperverletzung im Amt schuldig gesprochen und zu Haftstrafen von 6 Monaten bis zu 1 Jahr und 4 Monaten, ausgesetzt zu jeweils 2 Jahren Bewährung, verurteilt. S. Vogel wurde wegen Körperverletzung im Amt und Verstoß gegen die Rechte am eigenen Bild zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 40€ verurteilt.
Das Verfahren gegen einen sechsten JVA Beamten ist bereits vor Prozessbeginn nach § 153a StPO gegen Auflagen in Höhe von 6.000€ eingestellt worden. In seiner Zeugenaussage am ersten Verhandlungstag bestand der Beamte darauf, dass es keine Schläge und damit keine unverhältnismäßige Gewalt gegeben hätte. Den Auflagen - und damit den Tatvorwürfen - hätte er nur zugestimmt, um eine Einstellung zu erwirken und der Anklagebank zu entgehen.
Wie im Voraus bereits vermutet, hat die lange Dauer des Verfahrens bis zur Prozesseröffnung zu geringeren Strafen geführt - die verurteilten Taten fanden in den Monaten Februar bis August 2018 statt, Ermittlungen wurden spätestens im März 2019 (3) aufgenommen und im Sommer 2020 erhob die Staatsanwaltschaft bereits Anklage am Amtsgericht. In der Urteilsbegründung wurden die lange Zeit und die zusätzliche Belastung durch die zum Teil noch laufenden Disziplinarverfahren als mildernde Umstände angeführt. Die Urteile sind zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht rechtskräftig.
Offener Rassismus in Justizvollzugsanstalten
In Gefängnissen sind Gewalterfahrungen keine Seltenheit. Geht diese Gewalt von Mitarbeiter*innen aus und ist zusätzlich durch eine rechte oder rassistische Ideologie motiviert, so muss unseres Erachtens ein weit größeres Interesse der Justiz daran bestehen, diese Taten aufzuklären. Beamt*innen haben qua ihrer Funktion im Gefängnis weitreichende Handlungsmöglichkeiten und Befugnisse, auch zur Einschränkung von Grundrechten. Gerade, weil Justizvollzugsbeamte rechtlich gesichert Gewalt ausüben dürfen, müssen ihre Handlungen einer besonderen Kontrolle unterliegen.
In den letzten Monaten und Jahren sind immer mehr Fälle von Rassismus und Rechtsextremismus in Polizei und Bundeswehr bekannt geworden. Genaue Studien, wie groß das Problem tatsächlich ist, gibt es bisher nicht. (4) Dennoch zeigen Einstellungsstudien immer wieder, dass rechte, rassistische und antisemitische Einstellungen, Vorurteile und Praktiken in Sicherheitsbehörden einen geeigneten Nährboden finden.
Anhand des aktuellen Gerichtsprozesses wird deutlich, dass aufgrund der Funktionslogik von Gefängnissen, der stark hierarchischen Strukturen und eines Korpsgeists der Mitarbeiter*innen untereinander, rechtsmotivierte und rassistische Taten vielfach unentdeckt bleiben und teilweise begünstigt werden. Hinzu kommt, dass Strafgefangene kaum Zugang zu Öffentlichkeit und externen Beratungsstrukturen haben. In den Augen der Mehrheitsgesellschaft nehmen Gefangene oft einen Status rechtloser Personen ein, was dazu führt, dass ihnen neben dem gesetzmäßigen Freiheitsentzug auch weitere Grundrechte, wie das Recht auf Würde und körperliche Unversehrtheit, abgesprochen werden. Menschen, die rassistisch markiert und angegriffen werden, erfahren diese Form der Entrechtung oft bereits in ihrem alltäglichen Leben. Erleben sie rassistische Gewalt durch Staatsbedienstete müssen wir umso kritischer hinschauen, eingreifen und Konsequenzen fordern.
Dass es sich bei diesem Verfahren um keine zufälligen Einzelfälle handelt, wird allein durch den Angeklagten D. Zabel deutlich: Dieser wurde bereits 2019 wegen Verletzung der dienstlichen Geheimnispflicht verurteilt. Zabel hatte den Haftbefehl gegen eine Person, die 2018 aufgrund der Verdächtigung des gemeinschaftlichen Totschlags gegen Daniel H. in Chemnitz in Untersuchungshaft genommen wurde, unrechtmäßig mit seinem privaten Handy fotografiert. Er hatte den Haftbefehl sodann über Telegram-Chatgruppen und auf Facebook verbreitet, sowie gezielt an die rechte Gruppe Pro Chemnitz weitergeleitet. Das sogenannte Durchstechen des Haftbefehls wurde zum Brandbeschleuniger der aufgeheizten Stimmung nach dem Totschlag von Daniel H., die schließlich in rassistische Ausschreitungen an mehreren Tagen mündete. Noch deutlicher wird die Bedeutung und die Verstrickung einzelner Akteur*innen anhand von Aussagen aus dem Prozess um den Mord an Walter Lübcke: Die Attentäter berichteten hier, dass sie den Entschluss zum Mord am Kasseler Regierungspräsident auf dem Heimweg von den Ausschreitungen in Chemnitz fassten. (5)
Das Teilen der Gewalttaten im gemeinsamen WhatsApp Chat zeigt, wie sicher sich die Beamten gewesen sein müssen, dass ihre Taten geheim bleiben und sie in keiner Form dafür belangt werden würden. Auch einer der Betroffenen ließ durch seine Anwältin verlauten, wie überrascht er sei, dass die Beamten tatsächlich vor Gericht stehen würden. In dem gemeinsamen Chat waren 13 Beamte Mitglieder, von denen nun fünf angeklagt waren. Mehr als die Hälfte der Gruppe hat also nicht eingegriffen, als von rassistischen Gewalttaten berichtet wurde oder waren selbst Teil des gewalttätigen Systems und vertraten ebenso menschenfeindliche Einstellungen.
Dies zeigt, dass es eine bessere Prüfung der Hintergründe und gesellschaftspolitischen Einstellungen von JVA Mitarbeitenden braucht. Dazu gehören verpflichtende regelmäßige Weiterbildungsangebote für Justizmitarbeiter*innen zum Thema Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaat sowie Rechtsextremismus um sicherzustellen, dass Inhaftierte menschenwürdig und entsprechend geltender Rechte behandelt werden. Darüber hinaus brauchen inhaftierte Menschen Zugang zu unabhängigen Beratungsstellen, an die sie sich vertrauensvoll wenden können. Es muss sichergestellt werden, dass Angriffe öffentlich gemacht werden können und die Beamt*innen entsprechende Konsequenzen tragen.
Nicht zuletzt ist die Erweiterung des Opferschutzes im Aufenthaltsgesetz überfällig: Als Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitisch Gewalt fordern wir die Bundesregierung auf, ein Gesetzesvorhaben für ein humanitäres Bleiberecht für Betroffene rassistischer Gewalt ohne festen Aufenthaltsstatus auf den Weg zu bringen (6). Nur so können Betroffene ihre Rechte geltend machen und in der Aufarbeitung der erlebten Gewalt unterstützt werden.
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(1) Aus einem Zitat von Richter Wirlitsch im Prozess: "Die Inhalte sind gruslig, menschenverachtend und zeigen, welches Regime der Gewalt im besonders gesicherten Haftraum herrschte."
(2) https://www.sueddeutsche.de/politik/ausschreitungen-in-chemnitz-haftbefehl-justizbeamter-1.4410685
(4) Wir begrüßen deshalb, dass laut einer Pressemitteilung des Bündnis Grüne das Zentrum für kriminologische Forschung Sachsen e.V. sich dem Thema "Rassismus in der Justiz und im Strafvollzug" annimmt. Nachzulesen hier: https://www.gruene-fraktion-sachsen.de/presse/pressemitteilungen/2022/urteil-misshandlung-jva-dresden-rassismus-darf-unter-bediensteten-des-freistaates-keinen-platz-haben/. Ein weiteres Forschungsprojekt mit dem Titel „Ressentiment und Rassismus in der Justiz“ des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt soll sich ebenfalls in einer Fallstudie in Sachsen damit beschäftigen, unter welchen Bedingungen rassistische und menschenverachtende Einstellungen in der Justiz handlungsleitend werden und welche Interventionen möglich und notwendig sind (siehe https://www.fgz-risc.de/forschung/alle-forschungsprojekte/details/INRA_B05).
(5) Der kurzzeitig in U-Haft Genommene aus Chemnitz wurde wenig später wieder frei gelassen, da sich ein Tatverdacht gegen ihn nicht erhärtete.
(6) Alle zwölf Empfehlungen des VBRG für ressortübergreifende und effektive Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus, Antisemitismus und rechter Gewalt in den Bereichen Justiz, Innenpolitik und Demokratieförderung nachzulesen hier: https://verband-brg.de/12-empfehlungen-fuer-ressortuebergreifende-und-effektive-massnahmen-zur-bekaempfung-von-rassismus-antisemitismus-und-rechter-gewalt/.