Unsere Rede zur spontanen Kundgebung in Dresden am 5. Mai
Anlässlich mehrerer Angriffe auf Wahlkämpfer*innen auf Grüne und SPD am späten Freitag Abend in Dresden Strießen, fand sich am Sonntag eine Kundgebung mit 3000 Menschen am Pohlandplatz zusammen um sich mit den Betroffenen zu solidarisieren und die rechte Gewalt zu verurteilen. Neben zahlreichen Minister*innen und Politiker*innen aus Bund und Land haben auch wir eine Rede gehalten, die hier nachzulesen ist.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Liebe Freund*innen und Kolleg*innen,
gestern morgen habe ich, sicherlich wie viele andere hier, von dem Angriff auf Wahlkämpfer*innen der SPD und Grünen in der Nacht zuvor erfahren und dass Matthias Ecke, mit schweren Verletzungen im Krankhaus liegt.
An dieser Stelle möchte ich zuallererst meine Solidarität und meine besten Genesungswünsche aussprechen. Und natürlich alle Unterstützung versichern, die wir als Opferberatung für Betroffene rechter Gewalt leisten können.
Wie viele andere hier war auch ich schockiert angesichts der Nachricht:
Der Wahlkampf hat gerade erst begonnen, in Dresden war es überhaupt erst der Start und schon in der ersten Nacht greifen offenbar junge Täter augenscheinlich der rechten Szene zugehörig, Demokrat*innen an.
Es ist bereits das zweite Wochenende in Folge, an dem Angriffe gemeldet werden:
Letztes Wochenende in Zwickau bedrohten 4 Männer, alle Anfang 20, zwei grüne Wahlhelfer, schlugen das Handy aus der Hand und nötigten sie unter Gewaltandrohung ihre Plakate wieder abzunehmen, um diese dann zu zertreten
In Chemnitz wurde ein weiterer Grünen Wahlhelfer angegriffen und leicht verletzt: der Täter entriss ihm die Leiter und schlug damit das aufgehängte Plakat vom Laternenmast. In Leipzig betraf es Wahlhelfer der Partei Volt.
Waren bislang „leichtere“ Verletzungen die Folge, waren die Schläge Freitagabend so massiv, dass Matthias im Krankenhaus liegt und operiert werden muss
Doch so schockierend diese Ereignisse sind, so wenig überraschend sind sie für uns als spezialisierte Gewaltopferberatung in Sachsen leider:
Es ist gerade mal zwei Woche her, dass wir als Opferberatung für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt unsere Statistik zum Jahr 2023 veröffentlicht haben. Neben gestiegenen Gewalttaten – knapp 250 in ganz Sachsen – haben wir das zweite Jahr in Folge auf eine sichtbare Reorganisierung neonazistischer Strukturen. Und dass das nicht ohne Folgen bleibt. Mit einem verstärkten Auftreten extrem rechter Organisationen und einem Zuwachs an jungen und gewaltbereiten Neonazis geht auch eine Zunahme rechtsmotivierter Gewalttaten einher. Sowohl rassistisch motivierte Angriffe als auch Angriffe gegen Nichtrechte, Alternative und politische Gegner*innen haben zugenommen.
Entsprechend haben wir in unserer Pressemitteilung Mitte April gewarnt und warnen wir angesichts der jüngsten Angriffe weiterhin: „Dieser Anstieg rechtsmotivierter Gewalt in Sachsen ist mit Blick auf die bevorstehenden Kommunal- und Landtagswahlen besorgniserregend. Gerade in Wahlkampfzeiten ist damit zu rechnen, dass politische Gegner*innen ins Visier geraten – alle demokratischen Parteien, aber auch Menschen die sich angesichts der von der AfD ausgehenden Gefahr gegen Rechts und für Demokratie einsetzen. Und in Zeiten in denen Neonazis denken, ausreichend politischen und gesellschaftlichen Rückhalt zu haben, bekommen die Folgen vor allem jene zu spüren, die in unserer Gesellschaft marginalisiert und diskriminiert sind – also Menschen die von Rassismus, Antisemitismus, Sozialdarwinismus und Queerfeindlichkeit betroffenen sind. Dem gilt es in den nächsten Monaten entschlossen entgegenzutreten und unmissverständlich, offen solidarisch an der Seite der Betroffenen zu stehen.“
Ich bin deshalb dankbar und werte es als ein starkes Zeichen gegen rechte Gewalt und für die Verteidigung der Demokratie, dass wir heute hier so schnell zusammengekommen sind.
Es ist wichtig deutlich auf rechte Angriffe zu reagieren, den Betroffenen zu versichern, dass wir an ihrer Seite stehen, den Tätern klar zeigen, dass ihre Angriffe nicht geduldet werden, wir uns davon nicht einschüchtern lassen und gemeinsam für die Demokratie, Menschenwürde und gegen rechte Hetze und Gewalt stehen.
Liebe anwesende Minister*innen und Politiker*innen aus Land und Bund.
Sachsen hat ein Problem mit Rechtsextremismus, und zwar schon lang: eine hohes Niveau an rechten Gewalttaten, wöchentlich zahlreiche Demonstrationen, Kundgebungen und Veranstaltungen des extrem rechten Spektrums, Happy Mondays in Bautzen, die wegen rechter Gegenmobilisierung nur mit verstärkter Polizeipräsenz und eigener Security stattfinden können, Schülerräte die aufgrund der Situation an ihren Schulen Alarm schlagen, verbreitete extrem rechte Einstellungen, eine als gesichert rechtsextrem geltende Partei führt die Umfragen zur Landtagswahl an und es steht zu befürchten, dass sie ihre kommunalpolitische Dominanz im Juni weiter ausbauen wird.
Dem gilt es sich zu stellen mit aller Deutlichkeit und Haltung. Dazu gehört es das Problem beim Namen zu nennen:
Rechte Gewalt ist nicht nur ein Angriff auf die jeweils Betroffenen, sondern auf ganze Gruppen, die zum Feind erklärt werden und auf unsere offene vielfältige Gesellschaft.
Die AfD ist keine demokratische Partei und trägt am politischen Klima, in dem solche Taten gedeihen eine Mitverantwortung – sie widerspricht der Menschenwürde, indem sie marginalisierte Gruppen verhetzt und zum Hass gegen sie aufstachelt, Pläne schmiedet, wie sie Menschen aus dem Land abschiebt. Sie lehnt die Demokratie ab, weil sie im Kern keine anderen Parteien neben sich duldet, sie verächtlich macht und zur Jagd auf sie bläst. Und all das macht sie öffentlich mit Desinformation, Hetze und gezielt abgerufenen Ressentiments, um nicht etwa am demokratischen Diskurs mitzuwirken, sondern diesen erklärtermaßen zu zerstören.
Diese Saat geht auf, wenn wir nicht geschlossen dagegenhalten. In den letzten Jahren – seit Pegida, über Querdenken, Reichsbürger bis AfD, Freie Sachsen und Co. – hat sich das gesellschaftliche Klima weiter gefährlich zugespitzt – die rassistischen Ausschreitungen in Sachsen 2015, noch einmal 2018 in Chemnitz, die Anschläge in Halle und Hanau, der Mord an Walter Lübke, Reichsbürgerterrorgruppen mit Umsturzplänen, Feindeslisten und Waffendepots, die alltäglichen rassistischen Gewalttaten bis zur gezielten Neonaziattacke, die schon wieder zur Alltäglichkeit gewordenen Bedrohungen gegen Menschen, die sich gegen Rechts einsetzen, die scheinbare Unmöglichkeit derzeit als Grüne eine Veranstaltung durchzuführen ohne mit Störungen umgehen zu müssen, wie kaum eine andere Partei … und nun SPD Wahlkampfteams, die aus Sicherheitsgründen nur noch im Hellen losgehen werden?!
Das ist absolut inakzeptabel und erfordert unseren entschlossenen Widerspruch.
Die gute Nachricht: wir sind nicht allein, sondern stehen alle zusammen gegen den Faschismus. Und wir fangen nicht bei 0 an – wir haben Jahrzehnte Erfahrungen, wir haben Strukturen aufgebaut, um Demokratie zu fördern, zu bilden, zu beraten, uns miteinander zu vernetzten, Betroffene zu unterstützen, der extremen Rechte entgegenzuwirken, zu Zig Tausenden auch auf sächsischen Straßen und Plätzen zu demonstrieren und uns auch mal – wenn es sein muss – in den Weg zu stellen.
Dafür brauchen wir Ihre Unterstützung. Es ist jetzt nicht die Zeit nachzulassen, sondern alles zu geben und daran zu setzen, dass wir weiterhin in einer offenen demokratischen, vielfältigen Gesellschaft leben.
Nie wieder – ist jetzt!
Vielen Dank!