Geithain
Landkreis: LK Leipzig
Borna/Geithain. Manuel Tripp ist seit gestern vorbestraft. Der Stadtrat der rechtsextremen NPD in Geithain und führende Kopf der dortigen rechten Szene musste sich am Dienstag vor dem Amtsgericht in Borna wegen Verstoßes gegen das Vermummungsverbot und Sachbeschädigung verantworten. Der 24-Jährige hat nun eine Geldstrafe von 75 Tagessätze zu je zehn Euro zu zahlen. Geithains Bürgermeisterin Romy Bauer (CDU) will prüfen, ob es jetzt möglich ist, Tripp aus dem Stadtrat auszuschließen.
Das hätte der Jura-Student auch einfacher haben können - er akzeptierte gestern in der öffentlichen Hauptverhandlung einen Strafbefehl vom Dezember, gegen den er zunächst Einspruch eingelegt hatte. Tripp äußerte sich vor Gericht nicht zur Sache, sein Rechtsanwalt Alexander Held hatte Richterin Dr. Anne-Kristin Meier zu Verhandlungsbeginn um ein Rechtsgespräch gebeten. Anwalt Held aus Schmalkalden hat übrigens auch den rechten Schläger Albert R. vertreten - im April 2011 vor dem Landgericht Chemnitz und im April 2012 vor dem Landgericht Leipzig. R. verbüßt derzeit seine Haftstrafe wegen zweier rechtsmotivierter Überfälle in Geithain, unter anderem im Mai 2010 auf einen damals 15-jährigen Schüler. Tripp sollte sich gestern wegen drei Vorwürfen vor Gericht verantworten.Rund 30 Personen hatten sich am 25. März 2012, gegen 16.30 Uhr, auf den Innenhof des Colditzer Schlosses und den Platz davor begeben. Ihre Gesichter waren vollständig mit weißen Masken bedeckt, "um von Besuchern des Schlosses und Passanten nicht erkannt zu werden", so der Staatsanwalt. Sie riefen "Nationaler Sozialismus, he, he, he", trugen Plakate mit "Demokratie - nein Danke" und "Eure Repression - unsere Bestätigung". Als die von Passanten alarmierte Polizei eintraf, hatte sich die nicht angemeldete Kundgebung bereits aufgelöst. Der Staatsschutz ermittelte - auch gegen Tripp. Eine Aufnahme von der Aktion zeigt ihn, offensichtlich aus Versehen, unvermummt. Bei einer Hausdurchsuchung fand die Polizei nicht nur Beweismittel für die Demonstration in Colditz, sondern auch acht illegale Silvesterböller. Um zu ihnen fachmännische Auskunft zu geben, war gestern extra ein Experte geladen. Doch das Verfahren dazu wurde im Einvernehmen mit allen Seiten eingestellt, da die für die anderen Vorwürfe zu erwartende Strafe deutlich höher lag. Bei jener Durchsuchung fanden Beamte in einer Garage, zu der Tripp den Schlüssel hatte, auch Material, das im Juni 2012 benutzt worden war, um einen Wasserhauptsammler im Geithainer Park zu beschädigen. Blumentöpfe waren mit Acrylmasse auf ihm befestigt worden, und er wurde besprüht, unter anderem mit dem Spruch "Heimat erblühe". Die Oewa GmbH als Eigentümerin der Anlage hatte Anzeige erstattet. Der Strafbefehl gegen Tripp fasste beide Vorwürfe zusammen - den Verstoß gegen das Vermummungsverbot nach dem Sächsischen Versammlungsgesetz in Colditz sowie die Sachbeschädigung in Geithain. Im Ergebnis des Rechtsgespräches erging von Richterin Meier gestern der Beschluss, den Strafbefehl mit sofortiger Wirkung für rechtskräftig zu erklären. Tripp hat nun 750 Euro zu zahlen. Überrascht von dieser Entwicklung war der Staatsanwalt. Möglicherweise habe der Angeklagte eine komplette Beweisaufnahme vermeiden wollen - angesichts einer nicht unerheblichen Medienpräsenz, vermutete er. Elf Personen saßen gestern auf den Zuschauerbänken im Saal 310, darunter sechs Medienvertreter. Auch Geithains Bürgermeisterin verfolgte die 36-minütige Verhandlung persönlich. Dass die Strafverfolgung erfolgreich war, sei sehr zu begrüßen, allerdings hätte sie sich einen anderen Verlauf gewünscht. "Manuel Tripp ist Kopf und Mittelpunkt der jungen Nazis in Geithain. Es hätte mich sehr gefreut, wenn hier in einer ausführlichen Hauptverhandlung Details der Vorwürfe sowie sein Verhalten konkret und deutlich behandelt worden wären", erklärte Bauer noch im Gerichtssaal. Jedes Detail missbräuchlicher Handlungen gehöre in die Öffentlichkeit, betonte sie und zollte der sehr detaillierten und umfassenden Ermittlungsarbeit Respekt. "Ich hätte mir eine empfindlichere Strafe gewünscht", kommentierte die Bürgermeisterin. In letzter Zeit sei durch den Kreis um Tripp weniger öffentlicher Missbrauch rechtsstaatlicher Freiheiten zu verzeichnen - ihre Aktivitäten würden sich mehr in die virtuelle Welt verlagern, so die Stadtchefin. Sie werde prüfen, ob es nun möglich ist, Tripp aus dem Stadtrat auszuschließen, kündigte Bauer an.
LVZ, Borna-Geithain, 31.07.2013