28. November 2017: 61. Verhandlungstag
Das Gericht vernimmt zwei Gefängnispsychologen, die den Angeklagten Mike S. betreut haben. Sie beschreiben den Angeklagten zwar als »weinerlich«, hätten aber zu keinem Zeitpunkt »suizidale Absichten« feststellen können. Das Gericht setzt heute außerdem eine Frist für die Stellung von Beweisanträgen bis zum 8. Dezember 2017.
Die Hauptverhandlung gerät gleich zu Beginn ins Stocken: Der Senat muss auf Antrag der Verteidigung von Mike S. über einen Ausschluss der Öffentlichkeit für die folgende Vernehmung zweier Gefängnispsychologen entscheiden. Nach einer längeren Beratungspause weist der Senat den Antrag zurück, Gründe für einen Ausschluss seien gegenwärtig nicht gegeben.
Nach einer weiteren Unterbrechung beginnt die Vernehmung von Dipl.-Psychologe Johannes D., der Mike S. in den ersten zwei Monaten im Gefängniszugang betreut hat. Er beginnt zu berichten, nachdem der Vorsitzende Richter Fresemann erläutert hat, dass ihm als Gefängnispsychologen lt. BGH-Urteil kein Weigerungsrecht zustehe. Der Psychologe sagt, dass Mike S. »weinerlich« aufgetreten sei. Er habe mit ihm ein erstes Gespräch geführt, habe bei ihm aber keine suizidalen Absichten erkennen können. Da er aber den Eindruck gehabt habe, dass das Gespräch Mike S. geholfen habe, sei er fortan wöchentlich zu ihm gegangen.
Ziel sei die Stabilisierung von Mike S. gewesen, der mit der für ihn neuen Situation im Gefängnis »überfordert« gewesen sei. Er habe »haftempfindlich« reagiert, so der Zeuge weiter. Mike S. sei belasteter gewesen, als der »Durchschnitt«, aber »auch nicht extrem«. Die Anstaltsleitung habe dennoch entschieden regelmäßige Lebendkontrollen durchzuführen. Mike S. sei darüber »nicht glücklich gewesen«, so der Psychologe, aber er habe es letztlich akzeptiert.
Zu den vorgeworfenen Staftaten habe Mike S. gegenüber dem Zeugen nur gesagt, dass er gebeten worden sei, »die Facebook-Geschichte« zu übernehmen. Er habe daraufhin »administrative Aufgaben« übernommen. Außerdem habe er erwähnt, dass er bei »der Overbeckstraße« dabei gewesen sei. Details habe er aber nicht geäußert. Mike S. habe auf ihn »unsicher« und »gruppendynamisch beeinflussbar« gewirkt, erklärt der Psychologe auf Nachfrage. Gleichzeitig sei er aber auch einer gewesen, der »kein Blatt vor den Mund« nehme. Wie sich das genau geäußert habe, könne er aber nicht mehr sagen. Es sei aber schon so, dass er »durchaus neugierig« sei, wenn sich da jemand »kritisch gegenüber ausländischen Mitbürgern« äußere.
Anschließend vernimmt das Gericht Stefan Z., der ebenfalls als Dipl.-Psychologe arbeitet und mit Mike S. »um die 40 Gespräche« geführt habe. Der Angeklagte sei im Juli 2016 in seinen Zuständigkeitsbereich gewechselt, erklärt der Zeuge. Thema sei die »Entlastung« und die »Stabilisierung« von Mike S. gewesen, es habe keine akute Suizidgefahr bestanden, entsprechende Absichten habe der Angeklagte verneint. Mike S. sei aber wegen der Inhaftierung »sehr bedrückt« gewesen, so der Pychologe. Er habe Schwierigkeiten gehabt, sich mit der Situation abzufinden.
Eine gemeinschaftliche Unterbringung sei »leider« nicht möglich gewesen, aufgrund der Vorgaben des Bundesgerichtshofs. Mike S. sei anfangs »sehr zurückgezogen« gewesen, später habe er mehr Kontakt mit den Mithäftlingen durch Freizeitaktivitäten aufgebaut. Er habe aber immer ein starkes »Rückzugsbedürfnis« gezeigt. Die regelmäßigen Kontrollen, auch zu Nachtzeiten, hätten ihn »belastet«.
Zu den vorgeworfenen Taten habe sich Mike S. in den Gesprächen geäußert. Allerdings könne der Zeuge hierzu keine Details mehr erinnern, da diese für seine Arbeit nicht relevant gewesen seien. Stefan Z. berichtet, dass Mike S. davon gesprochen habe, dass er sich von »falschen Freunden« habe beeinflussen lassen. Mit dem am gleichen Ort inhaftierten Timo S. habe er keinen Kontakt gewünscht. Wie er das begründet habe, wisse er nicht mehr, erläutert der Zeuge auf Nachfrage. »Global« sei ihm noch erinnerlich, dass Timo S. für Mike S. »negativ verknüpft« gewesen sei.
Stefan Z. sagt auch aus, Mike S. habe »Reue« gezeigt. Er habe »sinngemäß« gesagt, es sei ein Fehler gewesen, was er gemacht hat. Mehr ist dem Zeugen dazu nicht erinnerlich, dennoch habe ihm das »den Eindruck von Reue vermittelt.« Auf Nachfrage der Nebenklage räumt er ein, dass er sich nicht erinnern könne, dass Mike S. irgendwann einmal die Geschädigten erwähnt habe. Mike S. habe aber wohl behauptet, dass er »nix gegen Ausländer« hat, erinnert der Zeuge. Er erwähnt auch, dass der Angeklagte »Chataktivitäten« und eine »Website« thematisiert habe. Worum es dabei aber genau ging, daran könne er sich aber nicht mehr erinnern. Er sei ja kein Ermittler.
Nachdem der Zeuge entlassen wird, stellt die Verteidigung von Timo S. drei Beweisanträge. Als erstes wird die Vernehmung eines Kriminalkommissars zur Auswertung von GPS-Daten beantragt. Die Befragung solle zeigen, dass sich Timo S. am 1. November 2015 zwischen 22:14 Uhr und 23:46 Uhr zu Hause aufgehalten habe. Zudem will die Verteidigung von Timo S. einen Anwohner zum Tathergang beim Anschlag auf den PKW Richter befragen.
Der dritte Beweisantrag thematisiert die Aussagen von Timo S. über die Ausschreitungen in Heidenau, den Anschlag auf die Asylunterkunft in Dresden-Stetzsch, sowie den Anschlag Overbeckstraße. Mit der Verlesung der Anklage im Verfahren gegen die Freie Kameradschaft Dresden und der Vernehmung der zuständigen Staatsanwältin solle gezeigt werden, dass die Angaben von Timo S. von »entscheidender Bedeutung« für das Verfahren gewesen seien. Der mehrminütig vorgetragene Antrag, bestätigt unter anderem die Anwesenheit von Timo S., Patrick F. und Rico K. in Heidenau. Er veranlasst die Bundesanwaltschaft zum Hinweis, dass etwa im Hinblick auf die Tat in Dresden-Stetzsch eher eine »Nachtragsanklage« in Frage komme, als die Strafmilderung, die die Verteidigung im Sinn habe.
Die heutige Hauptverhandlung endet mit der Verfügung des Vorsitzenden über die Frist für noch ausstehende Beweisanträge. Der Vorsitzende Richter datiert diese auf den 8. Dezember 2017 und hebt außerdem die bis dahin geplanten Verhandlungstermine auf. Eine Beanstandung der Fristsetzung wird vom Senat verworfen.