27. Februar 2018: 73. Verhandlungstag
Der heutige Verhandlungstag steht im Zeichen der letzten Worte der Angeklagten. Nach zwei kurzen Repliken zu den Plädoyers der Verteidigung nehmen alle Angeklagten die Chance wahr, sich nochmals zu den Vorwürfen zu äußern. Mehrere von ihnen äußern ihr Bedauern und entschuldigen sich bei den Geschädigten. Wie das Gericht die Äußerungen bewertet, wird sich zur Urteilsverkündung zeigen. Diese wird für den 7. März 2018 um 14 Uhr angekündigt.
Zunächst reagiert der Nebenklagevertreter RA Hoffmann mit einer Replik auf die Plädoyers der Verteidigung. Er erklärt, dass eine Replik nur bei »außergewöhnlichen Umständen« geboten sei, er beabsichtige daher nur auf wenige Punkte einzugehen. Einer davon, sei die Bedrohung des Gerichts durch den Verteidiger Kohlmann. Kohlmann habe damit versucht die Ziele der terroristischen Vereinigung in den Gerichtssaal fortzusetzen. Das könne nicht einfach ignoriert werden, darauf müsse der Senat eine adäquate Antwort finden.
Eine zweite Anmerkung betrifft die »abenteuerliche Rechnung« des Kollegen RA Sturm. Die Rechnung sei »falsch«, aber schon die Grundannahme gehe fehl: Ein Gutachten sei nicht nötig für eine Verurteilung, weil die subjektiven Absichten der Angeklagten entscheidend seien. Nicht die objektiven, denn es könne auch jemand wegen versuchten Mordes verurteilt werden, obwohl das potentielle Opfer nicht am Tatort gewesen sei. Die Kenntnis von der Gefährlichkeit der Sprengkörper indes, habe der Angeklagte Justin S. mit seiner Aussage unterstrichen. Diese Gefährlichkeit sei allen Angeklagten schon vor ihrer Verhaftung bekannt gewesen.
Das Gutachten sei für eine spezielle Situation entstanden. Die Anforderungen seien erfüllt gewesen, nachdem für einen Splitter, die potentielle tödliche Verletzungsgefahr nachgewiesen wurde. Am Tatort jedoch, und auch in den Rekonstruktionen, habe es unzählige Splitter mehr gegeben, die genauso gefährlich gewesen seien. Dementsprechend müsse die Wahrscheinlichkeit des Kollegen Sturm mit vierzig oder gar hundert multipliziert werden.
Anschließend kommentiert Oberstaatsanwalt Hauschild nochmals kurz das Plädoyer von RA Kohlmann. Je länger er darüber nachdenke, umso »übler« werde das. Wenn Freisler als Beleg für einen intakten Rechtsstaat dargestellt werde, dann erinnere das »sehr stark an Geschichtsrevisionisten«. Deswegen hoffe er, dass sich die Anwaltskammer dieser Sache annehme.
Kohlmann erwidert, dass keine Bedrohung vorgelegen habe, da er keinen Einfluss darauf habe, ob sich dieses Gericht irgendwann einem Verfahren stellen müsse oder nicht. Deswegen sei der Vorwurf der Bedrohung zurückzunehmen.
Anschließend folgen die letzten Worte der Angeklagten. Sie fallen fast ausnahmslos knapp aus. Patrick F. erklärt, er könne nur beteuern, dass es ihm wirklich leid tue. Ob andere das glauben, »soll mir egal sein«. Justin S. erklärt nochmals, dass er sich bei den Geschädigten entschuldige. Er bereue sehr, was er getan habe und würde die Taten gerne ungeschehen machen. Nach der Haft beabsichtige er seine Ausbildung zu vollenden.
Auch Maria K. möchte sich bei allen Beteiligten für ihr Verhalten entschuldigen, weil sie so ignorant gewesen sei, weil sie nicht eingeschritten sei. Die Frage nach dem Warum könne sie nicht beantworten. Dabei kenne sie Diskriminierung aus eigener Erfahrung. Sie verweist auf ihre beiden Staffordshire Terrier, die »wegen ihrer Rasse« gehasst werden. Sie beschreibt auch, dass sie wegen ihrer sexuellen Orientierung, »nachdem ich mich mit 15 Jahren geoutet habe«, ausgegrenzt worden sei. Sie erklärt, dass sie die »Zeit zurückdrehen« würde, wenn sie könnte. Sie hofft, dass die Geschädigten ein ruhiges Leben führen können und ihr vielleicht eines Tages vergeben.
Mike S. verliest ein Statement. Er erklärt, dass er seine Taten »zutiefst« bereue – nicht erst seit heute. Er müsse die Konsequenzen für sein Handeln tragen, appelliert aber an das Gericht nur für das verurteilt zu werden, was er auch wirklich getan habe. Der Angeklagte Sebastian W. verweist auf seine früheren Äußerungen und macht nochmal klar, dass ihm die Taten leid tun.
Nach einer kurzen Unterbrechung erklärt Timo S., dass er viel zu sagen hätte. Allerdings habe er sich dafür entschieden, sich schweigend zu verteidigen. Er hoffe, dass ihm das der Senat nachsehe. Philipp W. erklärt, dass die 28 Monate in Haft ihm klar gemacht hätten, was er angerichtet habe. Er sei dafür »komplett alleine verantwortlich«. Er habe sich durch »manipulatives Gequatsche« auf einen falschen Weg bringen lassen. Die Zeiten seien aber vorbei. Bei den Betroffenen möchte er sich entschuldigen. Er erklärt, dass es seine erste Tat war und seine letzte gewesen sein wird. Auch Rico K. äußert sich entschuldigend gegenüber den Geschädigten. Zumindest den finanziellen Schaden wolle er wieder gutmachen.
Danach verkündet das Gericht den Termin der Urteilsverkündung: Mittwoch, 7. März 2018, 14 Uhr.