Neuigkeit 19. Dezember 2024

Das Weihnachtsdrama im Landkreis Bautzen.

Die Bescherung fällt aus, das neue Jahr beginnt mit Existenzängsten und Angebotsausfall für
Groß & Klein.

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Die Stimmung im sozialen, kulturellen und bildungspolitischen Bereich ist derzeit alles andere als weihnachtlich. Mögliche Haushaltskürzungen, verzögerte Förderbescheide von Bundes- und Landesregierung und damit einhergehende Planungsunsicherheit bringen zahlreiche Initiativen und Träger der sozialen Arbeit im Landkreis Bautzen an den Rand ihrer Belastbarkeit. Statt Anerkennung und Wertschätzung für diese wichtige Arbeit, sind zahlreiche Projekte, die über Jahre hinweg unverzichtbare Arbeit in den Bereichen Integration, Bildung, Kultur und Gemeinwesen geleistet haben, von massiven Kürzungen bedroht, müssen ihre Fachkräfte entlassen und Räumlichkeiten verkleinern. Wo weihnachtliche Vorfreude und Glanz erwartet wird, bleiben leere Kassen und eine düstere Zukunftsaussicht.

Im neuen Jahr droht der zivilgesellschaftliche Kollaps

Im Rahmen digitaler Stammtische unter dem Titel „Die Ruhe vor dem Kollaps“ sowie einer umfassenden Befragung betroffener Organisationen hat das Netzwerk trägerverBUNT (tvBUNT) erschreckende Einblicke in die aktuelle Lage gewonnen:

  1. Insolvenzgefahr: Viele Träger wissen nicht, ob sie das Jahr 2025 überstehen. Ohne neue Fördermittel ab dem 2. Quartal 2025 droht mehreren Vereinen eine Schließung der Räumlichkeiten.

  2. Projektstreichungen: Projekte wie Integrationshilfen, Schulsozialarbeit und politische Bildung sind massiv bedroht, da Personalkosten von einigen Vereinen lediglich für 1-3 Monate vorfinanziert werden können. Danach braucht es zwingend die finanziellen Mittel vom Land.

  3. Arbeitsplatzverluste: Andere Vereine müssen ihr Personal halbieren und die verbleibenden Angestellten aus Vereinsrücklagen vorfinanzieren, was einen massiven Einschnitt für die Angebote bedeutet. Zahlreiche Arbeitnehmer*innen haben sich bereits arbeitssuchend gemeldet.

  4. Zielgruppen verlieren ihre Anlaufstellen: Tausend Menschen im Landkreis Bautzen – darunter Migrant*innen, Frauen, Senior*innen und Kinder – verlieren wichtige Anlaufstellen, etwa für Nachhilfe, Bewegungsangebote oder Selbsthilfegruppen. Im Landkreis Bautzen gibt es kaum Alternativen, die wegfallende Angebote ersetzen könnten. Nachhilfe- und Unterstützungsprojekte, die seit Jahren bestehen und fest in der Angebotskultur der Stadt verankert sind, könnten nun ersatzlos gestrichen werden. Diese Institutionen sind nicht nur Anlaufstellen, sondern tragen wesentlich zur demokratischen Kultur der Region bei.

  5. Finanzierungslücken für präventive Maßnahmen: Präventive Schulangebote, die sich auf Demokratie, Toleranz, Zivilcourage und soziales Miteinander fokussieren, können nicht mehr kostenlos angeboten werden. Gerade für sogenannte Brennpunktschulen ist der notwendige Eigenbeitrag oft nicht leistbar. Dadurch fehlen ganze Klassenstufen und Schulen zukünftig diese dringend benötigten Angebote.

Erschreckende Beispiele aus der Region

Ein Träger, der seit Jahren zentrale Integrationsprojekte im Landkreis organisiert, bangt um seine Zukunft. Das unverzichtbare Angebot für Migrant*innen zur Sprachförderung, kann voraussichtlich ab Februar 2025 nicht mehr weitergeführt werden. Schon zum Ende des Jahres 2024 werden Mitarbeitende entlassen, obwohl die Nachfrage zunehmend steigt. So nutzen auch die Arbeitgeber*innen der Region kostenlosen Sprachkurs-Angebote für ihre Mitarbeiter*innen, da es für Wirtschaftsunternehmen deutlich attraktiver ist auf kostenfreie Strukturen vor Ort zurückzugreifen, als kostenpflichtige Angebote in anderen Städten in Anspruch zu nehmen.

Nicht nur Integrations-, sondern auch Jugend-, und Gemeinwesenarbeit sind von den Kürzungen betroffen. Beispielsweise fallen Sport- und Selbsthilfegruppen für Senior*innen, Bewegungsangebote weg. Einzelne Vereine mussten bereits aus Mangel an finanziellen Mitteln eine Verkleinerung ihrer Räumlichkeiten einleiten, wodurch zahlreiche Kurse aus platz- und personaltechnischen Gründen nicht mehr angeboten werden können.

Sogar Nachhilfeprojekte für Schüler*innen entfallen zukünftig. Angebote, die sich besonders an Schulen in sozialen Brennpunkten richten, stärken Demokratie und Zivilcourage und wirken Stigmatisierung und Ausgrenzung entgegen. "Wenn diese Maßnahmen wegfallen, trifft es ausgerechnet die Zielgruppen, die sie am dringendsten brauchen," so ein Kooperationspartner des tvBunt.

Ohne finanzielle Zusagen könnte auch das kulturelle Angebot im Landkreis signifikant eingeschränkt werden, wodurch Jugendliche auf Konzerte, Veranstaltungen und sonstige Freizeitaktivitäten verzichten müssten. Demnach treffen die Kürzungen und verspäteten Förderbescheide von Bundes- und Landesregierung nicht nur den sozialen, sondern auch den wirtschaftlichen und kulturellen Sektor der Region.

Die Unsichtbaren tragen die Last

Die Befragung der betroffenen Träger verdeutlicht, dass prekäre Arbeitsbedingungen im Sozialbereich schon lange die Norm sind. Mitarbeitende, die über das eigentliche Maß hinaus Verantwortung übernehmen, werden oft weder finanziell noch institutionell unterstützt. Gleichzeitig wird beklagt, dass diese Leistungen in der Öffentlichkeit kaum Anerkennung finden und nun auch noch zahlreiche Fachkräfte entlassen werden müssen. Diese finanzielle und berufliche Unsicherheit macht die Arbeit im sozialen, kulturellen sowie zivilgesellschaftlichen Sektor immer unattraktiver, sorgt für Frustration und löst gewachsene Netzwerkstrukturen auf. Damit wird der zivilgesellschaftliche Zusammenhalt sowie ehrenamtliches Engagement nachhaltig geschwächt, da zahlreiche Angebote, die über Jahrzehnte gewachsen und genutzt wurden ersatzlos wegfallen.

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Das Netzwerk trägerverBUNT (tvBUNT) sieht in dieser Entwicklung auch eine Schwächung der Standortfaktoren der Region und ruft dazu auf, die Arbeit solcher Initiativen zu schützen. Wir fordern von Politiker*innen Verantwortung für zivilgesellschaftliche Strukturen zu übernehmen. Wir wünschen uns, dass der soziale und kulturelle Sektor als systemrelevant anerkannt und entsprechend nachhaltig sowie zukunftssicher finanziert wird. Damit knüpfen wir an die Forderungen des Netzwerks Tolerantes Sachsen an, welches in der Pressemitteilung vom 28.11.2024 von der Landesregierung fordert das Überleben der Demokratie-, Integrations-, Beratungs- und Gleichstellungsarbeit bis zur Verabschiedung eines Landeshaushalts zu ermöglichen und sich in der neuen Regierungskonstellation auf eine nachhaltige Förderung zu verpflichten. https://www.tolerantes-sachsen.de/pm-tolsax-fordert-foerdergarantien/

tvBUNT Netzwerk für Demokratie und Vielfalt im Landkreis Bautzen

Ansprechpartner: Heiner Schröder / Heiner.schroeder@tvbunt.de / 01796791239

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